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Bundesgerichthof zum Eva Herman-Zitat

Es war wohl eine der prägendsten Auseinandersetzungen der letzten Jahre: Der Streit um das Zitat von Eva Herman. Die stets zu pointierten Äußerungen aufgelegte Fernsehmoderatorin und Buchautorin hatte sich auf einer Pressekonferenz über die Wertschätzung der Mutter im Dritten Reich geäußert. Diese Äußerung wurde dann zum Gegenstand einer Berichterstattung im Hamburger Abendblatt – und damit nahm der Skandal dann seinen Ausgang. Eins der wohl letzten Kapitel dieser Geschichte hat gestern der Bundesgerichtshof geschrieben.
Problematisch war in dem Fall, dass die Äußerung von Herman mündlich gefallen war. Wer einmal gesprochenen Text transkribiert hat, der weiß, dass Menschen mündlich nur selten druckreife Sätze von sich geben. So war das auch bei Herman. Diese hatte gesagt:

Und wir müssen vor allem das Bild der Mutter in Deutschland auch wieder wertschätzen lernen, das leider ja mit ähm mit dem äh Nationalsozialismus und der darauf folgenden 68er-Bewegung abgeschafft wurde. Mit den 68er [sic] wurde damals praktisch alles das – alles – was wir an Werten hatten, es war ne grausame Zeit, es war ein völlig durchgeknallter, hochgefährlicher Politiker, der äh das deutsche Volk ins Verderben geführt hat, das wissen wir alle, äh, aber es ist damals alles, was gut war, und das sind Werte, das sind Kinder, das sind Mütter, das sind Familien, das ist Zusammenhalt – das wurde abgeschafft.

In der Berichterstattung im Hamburger Abendblatt wurde daraus folgendes:

Die Autorin [Eva Herman], „die übrigens in vierter Ehe verheiratet ist, will auch schon festgestellt haben, dass die Frauen „im Begriff sind, aufzuwachen“, dass sie Arbeit und Karriere nicht mehr unter dem Aspekt der Selbstverwirklichung betrachten, sondern unter dem der „Existenzsicherung“. Und dafür haben sie ja den Mann, der „kraftvoll“ zu ihnen steht. In diesem Zusammenhang machte die Autorin einen Schlenker zum Dritten Reich. Da sei vieles sehr schlecht gewesen, zum Beispiel Adolf Hitler, aber einiges eben auch sehr gut. Zum Beispiel die Wertschätzung der Mutter. Die hätten die 68er abgeschafft, und deshalb habe man nun den gesellschaftlichen Salat. Kurz danach war diese Buchvorstellung Gott sei Dank zu Ende.“

Der BGH hatte nun zu beurteilen, ob diese indirekte Zitierung Eva Herman in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt. Die Pressemitteilung des BGH fasst die Entscheidung wie folgt zusammen:

Der u. a. für den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die beanstandete Berichterstattung das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin nicht beeinträchtigt. Zwar umfasst das allgemeine Persönlichkeitsrecht auch das Recht am eigenen Wort und schützt den Einzelnen davor, dass ihm Äußerungen zugeschrieben werden, die er nicht getan hat und die seine Privatsphäre oder den von ihm selbst definierten sozialen Geltungsanspruch beeinträchtigen. Der grundrechtliche Schutz wirkt dabei nicht nur gegenüber Fehlzitaten, sondern auch gegenüber unrichtigen, verfälschten oder entstellten Wiedergaben einer Äußerung. Die Beklagte hat die Äußerung der Klägerin aber weder unrichtig noch verfälscht oder entstellt wiedergegeben. Die Äußerung lässt im Gesamtzusammenhang betrachtet gemessen an Wortwahl, Kontext der Gedankenführung und Stoßrichtung nur die Deutung zu, die die Beklagte ihr beigemessen hat.

Damit unterlag Herman in letzter Instanz; die vorigen Entscheidungen des LG und OLG Köln, wo sie noch gewonnen hatte, wurden aufgehoben.

Die Entscheidung des BGH bedeutet in rechtlicher Hinsicht (jedenfalls nach dem aktuellen Kenntnisstand) nichts Neues: Der Gerichtshof bestätigt im Prinzip nur den Grundsatz der Zitattreue, der im Äußerungsrecht allgemein anerkannt ist: Es verstößt grundsätzlich gegen das Allgemeine Persönlichkeitsrecht, einer Person eine Äußerung zuzuschreiben, die diese nicht (so) getan hat.

Vorliegend sieht der BGH aber keinen Verstoß gegen diesen Grundsatz. Richtigerweise kalkuliert der Gerichtshof mit ein, dass eine Berichterstattung unmöglich wäre, wenn Zitate immer nur im genauen (häufig unlesbaren) Wortlaut wiedergegeben werden müssten. „Deutungen” sind also nach Ansicht des BGH zulässig. Diesen „Deutungsspielraum” habe die Wiedergabe des Zitats nicht überschritten.

Der Leser kann sich anhand der beiden wiedergegeben Zitate selbst ein Bild machen, ob er die Entscheidung für richtig hält. Ich halte die Entscheidung des BGH zumindest im Sinne der Pressefreiheit für vertretbar – auch wenn sie natürlich für die Diskussion über die Nazizeit und deren Wertordnung einen einschüchternden Effekt bedeutet. Für eine genaue Beurteilung muss man auf die Entscheidungsgründe warten.

Zur Pressemitteilung beim BGH.

Besprechung bei Internet-Law.

, Telemedicus v. 22.06.2011, https://tlmd.in/a/2031

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