Lena M. ist BWL-Studentin im 7. Semester. Normalerweise lässt sich die resolute 23jährige nicht leicht an der Nase herumführen. Dank Privatrecht-Vorlesung im ersten Studienjahr ist sie sogar rechtlich geschulter als die meisten anderen Internetnutzer. Dachte sie jedenfalls.
Bis dann neulich in ihrem Briefkasten eine Zahlungsaufforderung landete: Sie werde hiermit letztmals aufgefordert, unverzüglich einen Betrag in Höhe von 65,02 € zu überweisen. Schließlich habe sie in einen Vertragsschluss über den Download eines Bewerbungs-Trainers eingewilligt. Sollte sie ihrer vertraglichen Zahlungsverpflichtung nicht bald nachkommen, werde sich das Inkassounternehmen XY mit ihr in Verbindung setzen.
An einen Vertragsschluss konnte sich Lena nicht erinnern. Und erst recht nicht an die horrende Preisforderung. Die Bewerbungstipps hätte sie sich sonst natürlich woanders geholt. Dennoch: Fast hätte sie bezahlt – und wäre auf den Schwindel hereingefallen.
Lena M. ist nur eine von vielen, die auf die Machenschaften meist dubioser Briefkasten-Firmen mit Sitz im Ausland hereinfallen. Allein in Nordrhein-Westfalen gehen aus diesem Grund nach Schätzung der Verbraucherschutzzentrale 22.000 Beschwerden ein – und zwar im Monat. Der folgende Beitrag erklärt die Funktionsweise dieser sogenannten Vertrags- oder Kostenfallen. Und gibt Internetnutzern Ratschläge für den Fall, dass eine (unberechtigte) Zahlungsaufforderung im Postkasten liegt.
Was sind Abo- oder Vertragsfallen?
Vertragsfallen zeichnen sich dadurch aus, dass man eine scheinbar kostenlose Leistung im Internet in Anspruch nimmt – und nachher eine dicke Rechnung zugeschickt bekommt.
Meist schon auf der Startseite des Angebots steht ein Anmeldeformular bereit, in das der Kunde seine Kontaktdaten zunächst eintragen und dann abschicken muss. Ohne diese Eintragung gibt es keine Leistung. Manchmal ködern die Anbieter solcher Seiten auch mit der Teilnahme an einem Gewinnspiel. Dies wäre noch nicht sonderlich problematisch, würde der Kunde eindeutig darauf hingewiesen, dass es sich um ein kostenpflichtiges Angebot handelt. Und dass man mit der Absendung der Daten einem Vertragsschluss zustimmt. Bei Vertragsfallen ist das aber gerade nicht der Fall: Dass man für die Leistung zahlen muss, wird entweder ganz verschwiegen, oder so unauffällig vermerkt, dass ein gewöhnlicher Internetnutzer den Hinweis übersieht.
Computerbetrug.de berichtet sogar von automatischen Anmeldungen:
„Dank moderner Browser ist es heutzutage nämlich gar nicht mehr nötig einen Anmelde-Button zu betätigen, um Formulardaten zu übertragen. Falls auf der Webseite eine Technik eingesetzt wird, die auf XMLHttpRequest beruht (Ajax, XML-RPC, SOAP), ist es prinzipiell möglich auf dem Server jeden Tastenklick des Browsers zu protokollieren. Lange bevor das Webformular abgeschickt wird (falls überhaupt), kann der Formularinhalt also schon an den Seitenbetreiber übertragen worden sein – mit der Folge, dass er diese Daten für seine Rechnungen nutzen kann.“
Eine Rechnung kann auch bekommen, wer nie die betreffende Internetseite besucht hat. Mit den persönlichen Daten der meisten Menschen wird gehandelt, auch wenn man es gar nicht weiß. Die Daten hat man irgendwann einmal irgendwo angegeben – ohne damit zu rechnen, dass andere später damit ein lukratives Geschäft betreiben würden. Dabei geschieht es auch, dass die Daten bei Betrügern landen, die einem solch vermeintliche Rechnungen zuschicken.
Die Fallensteller gehen sehr trickreich vor. Vor allem versuchen sie die bildungsferneren und jungen Menschen zu erwischen, Leute, denen man leicht einen Bären aufbinden kann. Das zeigt sich auch an den Inhalten der Angebote: Free-Sms, Wie hoch ist meine Lebenserwartung?, Kosmetika testen etc. Aber wie das Beispiel von Lena M. zeigt: jeder kann betroffen sein.
Selbst wer sich in Anbetracht der Rechnung keiner „Schuld“ bewusst ist: das eigene Rechtsgefühl wird leicht durch die Drohungen und Einschüchterungen der Abzocker beeinträchtigt. Hinzu kommt, dass sich die Beträge meist im mittleren Bereich bewegen. Wegen 30-200 € wird meist noch kein Anwalt eingeschaltet und erst recht kein Gerichtsverfahren eingeleitet. Um sich weiteren Ärger zu ersparen, zahlt man lieber. Doch damit ist man nicht nur einiges an Geld los. Man unterstützt auch die Betrüger, über die man sich selbst so geärgert hat.
Was also tun, wenn eine Rechnung im Briefkasten liegt?
„Ignoriere sie einfach, die Rechnung. Die haben nichts in der Hand und können rechtlich nicht gegen dich vorgehen. Bleibe einfach hartnäckig: Du wirst sehen, irgendwann geben sie auf“. Diesen Rat bekam Lena M. von einem befreundeten Juristen. Einfach nicht bezahlen? Und das ist juristisch in Ordnung? Irgendwie fiel es der Studentin schwer das zu glauben.
Tatsächlich ist es so: In vielen Fällen wird nur behauptet, dass man einen Vertrag geschlossen habe. Ein Vertrag kann aber nur zustande kommen, wenn beide Vertragsparteien über die wesentlichen Bedingungen des Vertrags Bescheid wissen. Weiß der eine Partner nicht, dass es sich um ein kostenpflichtiges Angebot handelt, kann er es auch nicht rechtlich wirksam annehmen. Der Anbieter eines kostenpflichtigen Angebots muss vor allem die Vorgaben der Preisangabenverordnung berücksichtigen. § 1 Absatz 6 der Verordnung besagt:
„Die Angaben nach dieser Verordnung müssen der allgemeinen Verkehrsauffassung und den Grundsätzen von Preisklarheit und Preiswahrheit entsprechen. Wer zu Angaben nach dieser Verordnung verpflichtet ist, hat diese dem Angebot oder der Werbung eindeutig zuzuordnen sowie leicht erkennbar und deutlich lesbar oder sonst gut wahrnehmbar zu machen.“
Wichtig ist also vor allem, dass der Preis in unmittelbarer räumlicher Nähe des Angebots angegeben wird. Ein Preishinweis in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist, wie das Amtsgericht München entschieden hat, nicht ausreichend. Mit einer Preisklausel in AGB muss der Verbraucher nicht rechnen (§ 305 c BGB).
Wenn die Rechnung trotzdem bezahlt wird, kommt dadurch grundsätzlich kein Vertrag zustande – auch nicht durch sog. „schlüssiges Verhalten“. Rechtlich kann man durch eine Zahlung also nicht an einen Vertrag festgenagelt werden. Man hat auch einen Anspruch auf Rückerstattung des zu Unrecht gezahlten Geldes (§ 812 BGB); jedenfalls sofern man nicht wusste, dass eigentlich keine Zahlungspflicht bestand (§ 814 BGB). In der Praxis wird es aber dennoch schwierig sein, einmal gezahltes Geld zurück zu bekommen: Der Empfänger des Geld ist möglicherweise schon über alle Berge und nicht auffindbar, das Geld verbraucht.
Ist man sich unsicher, ob auch wirklich ein Betrüger hinter der Rechnung steckt, so hilft ein Gang zur örtlichen Verbraucherschutzzentrale. Dort gibt es meist Spezialisten, denen so manche Internet-Seiten oder Unternehmen bereits bekannt sind. Auch im Internet kann man sich informieren: Der Bundesverband der Verbraucherschützer veröffentlicht eine Liste mit Firmen gegen die bereits Verfahren eingeleitet wurden. Es kann außerdem helfen, mit anderen Betroffenen ins Gespräch zu kommen. In Foren kann man danach fragen, ob schon jemand Erfahrung mit dem mahnenden Unternehmen gemacht hat.
Aber auch für den Fall, dass es vielleicht doch zum Vertragsschluss gekommen ist: Bei Verträgen über das Internet (sog. Fernabsatzverträgen) hat der Verbraucher gemäß § 312 d BGB ein Widerrufsrecht. Innerhalb von 14 Tagen kann er widerrufen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem er eine ordnungsgemäße Belehrung erhalten hat. Odnungsgemäß bedeutet vor allem, dass der Verbraucher die Belehrung in Textform erhalten haben muss. Um die Textform zu wahren, ist ein unveränderlicher Text, z.B. eine E-Mail erforderlich. Eine Belehrung auf der Homepage reicht nicht aus, denn diese kann ohne weiteres vom Betreiber umgestaltet werden. Meist wird aber nicht in dieser Textform belehrt oder die Belehrung ist inhaltlich nicht wirksam. Dann besteht das Widerrufsrecht unbegrenzt, es kann also auch noch nach Ablauf der zwei Wochen Frist widerrufen werden.
Die Verbraucherschutzzentralen raten, den Vertrag zu leugnen und hilfsweise Widerruf und Anfechtung des Vertrages zu erklären. Auf den Webseiten der Verbraucherschützer gibt es Formulierungshilfen und Musterbriefe, mit denen man auf die unberechtigten Rechnungen antworten kann. Oft genug werden Betroffene trotzdem weiterhin mit Zahlungsaufforderungen und Drohungen belästigt. Man sollte diese Post einfach ignorieren: Denn die Hartnäckigkeit der Abzocker ist gerade ihr „Erfolgsrezept“.
Gehandelt werden muss allerdings, wenn ein gerichtliches Mahnschreiben zugesendet wird. Das Mahnverfahren ermöglicht die Vollstreckung einer Geldforderung ohne dass eine Klage erhoben wurde. Das bedeutet, dass der Zahlungsanspruch noch nicht von einem Gericht anerkannt wurde. Das Gericht stellt einen Vollstreckungsbescheid auch nur aus, wenn gegen den Mahnbescheid nicht widersprochen wurde. Dem Mahnbescheid ist ein Widerspruch-Vordruck beigelgt, der binnen 14 Tagen ausgefüllt und an das Gericht zurück geschickt werden muss. Nun sollte am Besten ein Anwalt eingeschaltet werden.
Wie ist die Rechtslage, wenn Jugendliche im Netz unterwegs waren?
Wenn Kinder und Jugendliche wegen ihrer Netzaktivitäten für hohe Rechnungen sorgen, ist es für Eltern recht einfach dagegen vorzugehen.
Minderjährige brauchen eine Einwilligung ihrer Eltern um im Rechtsverkehr tätig zu sein, also beispielsweise Verträge wirksam abzuschließen. Eine solche Einwilligung haben die Eltern aber regelmäßig nicht erteilt, wenn es um die Annahme versteckt kostspieliger Angebote geht. Die Einwilligung kann zwar auch nachträglich durch eine Genehmigung des Rechtsgeschäfts erfolgen. Eltern sollten den betrügerischen Unternehmen jedoch sofort nach Erhalt der Rechnung schriftlich mitteilen, dass sie eine solche Genehmigung verweigern. Auch hierzu gibt es entsprechende Musterbriefe.
Im Übrigen ist der sog. „Taschengeldparagraph“ (§ 110 BGB) nicht einschlägig. Minderjährige dürfen nämlich nur dann Geschäfte ohne Einwilligung ihrer Eltern vornehmen, wenn die Zahlung mit ihrem Taschengeld in bar erfolgt. Außerdem übersteigt oftmals der geforderte Preis die Höhe eines üblichen Taschengeldes.
Am Besten: Gar nicht erst in die Falle locken lassen
Der Artikel macht deutlich: Das Recht ist auf der Seite des Verbrauchers, dubiose Geldzahlung müssen nicht gezahlt werden. Trotzdem kann man sich einigen Ärger ersparen, wenn man im Internet nicht jedem traut. Vor allem ist Vorsicht geboten, wenn die Preisgabe persönlicher Daten verlangt wird. Man sollte immer genau überprüfen, zu welchen Zwecken die Daten gebraucht werden und auch nur das Nötigste angeben.
Außerdem sollte man sich sorgfältig umschauen, ob das als kostenlos gepriesene Angebot auch tatsächlich umsonst ist. Hat man sich dessen überzeugt, sollte man die Seite in ihrem aktuellen Zustand mit Datum dokumentieren, um später evtl. Beweise vorbringen zu können. Denn es passiert, dass von einem Preishinweis bei der Anmeldung noch nichts zu sehen zu sehen ist – und er erst nachträglich in die Seite integriert wird. Bei Erhalt der Rechnung wird dem Verbraucher vorgespiegelt, er habe den Preis übersehen.
Eine solche Bestandsaufnahme von einer Webseite lässt sich leicht anfertigen, indem man beispielsweise einen „Screenshot“ anfertigt und abspeichert. Man kann eine Internetseite auch ausdrucken (bei „Datei“ in der oberen Navigationsleiste gibt es die Funktion „Drucken“).
Hat man sich davon überzeugt, dass es sich um kein kostenpflichtiges Angebot handelt, ist es in der Praxis relativ unbedenklich, fiktive Adressdaten anzugeben oder beispielsweise ein Pseudonym zu verwenden. Denn ist die Leistung des Anbieters kostenlos, besteht normalerweise kein zwingender Grund eine Kontaktmöglichkeit anzugeben. Nicht selten ist das kostenlose Angebot nur ein Köder – denn tatsächlich will der Anbieter an die Adressdaten herankommen, um sie zum Beispiel zu verkaufen. Die Rechtslage ist in dieser Hinsicht allerdings nicht ganz eindeutig.
Oftmals wird damit gedroht, dass man bei wissentlichen Falscheingaben über die IP-Adresse identifiziert werden kann. Hierbei handelt es sich aber wiederum nur um eine Drohung, mit der die Opfer eingeschüchtert werden sollen. IP-Adressen werden tatsächlich meistens gespeichert und der Internetanbieter (Telekom, Arcor, etc.) kann die IP-Adressen für einen gewissen Zeitraum auch Personen zuordnen. An diese Informationen kommt der Seitenbetreiber, also das mahnende Unternehmen aber nicht ohne weiteres ran. Internetanbieter dürfen diese Daten nämlich nur herausgeben, wenn ein Gerichtsbeschluss vorliegt und es um die Aufklärung schwerer Straftaten geht.
Fazit
Trotz größerer Vorsicht und Aufklärung der Internetnutzer bleibt zu hoffen, dass die betrügerischen Machenschaften auch rechtlich bald nicht mehr lohnenswert sind. Die Verbraucherschutzzentralen haben mittlerweile dafür gesorgt, dass wenigstens ein paar Gerichte über das Thema entschieden haben. Rechtskräftige Urteile sind trotzdem noch rar. Immerhin: Sollte ein aktuelles Urteil des Landgerichts Hanau (Az.: 9 O 551/08) von der Berufungsinstanz bestätigt werden, müsste das beklagte Unternehmen sämtliche Gewinne an die Staatskasse herausgeben. Dies könnte immerhin einen Etappensieg zu größerer Rechtssicherheit bedeuten. Doch ob das reicht, um die skrupellosen Unternehmen abzuschrecken?
Die Verbraucherschutzzentrale NRW über „Abzocke im Internet“.
Faltblatt der Verbraucherschutzzentrale NRW mit den wichtigsten „Grundregeln“.
Computerbetrug.de mit weiteren Informationen und einem Forum.