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BGH veröffentlicht UsedSoft-II-Entscheidung

Im Sommer 2012 fällte der Europäische Gerichtshof sein Urteil im Verfahren Oracle gegen UsedSoft – eine Grundsatzentscheidung über den Handel mit Softwarelizenzen, die das IT-Recht seitdem konstant in Atem hält. Hintergrund war damals ein Vorlageverfahren des Bundesgerichthofs. Dieser hat nun seine Folgeentscheidung in dem Verfahren veröffentlicht und einige interessante Details zu den Rechtsfragen rund um den Handel mit Softwarelizenzen ergänzt.

Die UsedSoft-Entscheidung im Überblick

Mit der Vorgeschichte des UsedSoft-Verfahrens haben wir uns bereits an mehreren Stellen auseinandergesetzt. An dieser Stelle deshalb nur eine kurze Zusammenfassung als Erinnerung:

Kern der rechtlichen Fragen des UsedSoft-Verfahrens ist der urheberrechtliche Erschöpfungsgrundsatz: Wird ein Werk mit Willen des Rechteinhabers gegen angemessene Vergütung innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) in Verkehr gebracht, kann der Rechteinhaber die weitere Verbreitung seines Werkes innerhalb des EWR nicht mehr untersagen. Ob dies allerdings auch bei unkörperlichen Werken der Fall ist, die nicht etwa auf CD oder DVD sondern nur als Download vertrieben werden, war lange Zeit hoch umstritten.

Anfang Juli 2012 entschied der EuGH (EuGH, Urt. v. 3. Juli 2012, C-128/11), dass bei Computerprogrammen, die der Richtlinie zum Schutz von Computerprogrammen (2008/24/EG) unterfallen, auch eine immaterielle Erschöpfung möglich ist. Daraus leitete der EuGH her, dass für den Eintritt der Erschöpfung bei Software-Lizenzen (und damit für die Zulässigkeit des Weiterverkaufs) folgende Voraussetzungen erfüllt sein müssen:

  1. Das Computerprogramm wurde innerhalb des EWR in den Verkehr gebracht.
  2. Der ursprüngliche Rechteinhaber hat eine dauerhafte, d.h. zeitlich unbefristete, Lizenz eingeräumt.
  3. Der ursprüngliche Rechteinhaber hat für die Lizenz eine angemessene Vergütung erhalten.
  4. Der Ersterwerber (der die Lizenz weiterverkauft) hat seine Kopie des Programms unbrauchbar gemacht.

Sind diese Voraussetzungen erfüllt, ist der Zweiterwerber rechtmäßiger Erwerber der Lizenz. Er darf die entsprechende Software von der Webseite des Herstellers herunterladen, installieren und nutzen. Sind bei der Lizenz Updates mit enthalten, darf er sogar diese rechtmäßig beziehen.

Die Entscheidung des BGH

Nachdem der EuGH die europarechtlichen Fragen also geklärt hatte, musste der BGH nun über den Fall in Deutschland entscheiden. Wie zu erwarten war, hielt sich der BGH dabei streng an die Kriterien, die der EuGH in seiner Entscheidung aufgestellt hatte und subsumierte den Fall sauber durch.

Wenn UsedSoft gebrauchte Software-Lizenzen verkauft, setzt das Unternehmen damit die Ursache dafür, dass der Käufer die Software beim Hersteller herunterlädt, installiert und nutzt. Damit haftet UsedSoft als Störer, wenn das Herunterladen, Installieren und Nutzen rechtswidrig ist. Die Nutzungsrechte, um Lizenzen weiterzuverkaufen hat UsedSoft nicht – der Weiterverkauf ist in den Oracle-Lizenzbestimmungen ausdrücklich ausgeschlossen. Durch den Verkauf innerhalb des EWR könnte aber Erschöpfung eingetreten sein. Das heißt: Trotz anderslautender AGB könnte UsedSoft den Weiterverkauf nicht untersagen.

Dazu müssten jedoch die Voraussetzungen, die der EuGH für den Eintritt der Erschöpfung aufgestellt hat, auch tatsächlich vorgelegen haben. Ob das der Fall ist, muss nun das Berufungsgericht erneut entscheiden. Der BGH verwies den Streit also an das Oberlandesgericht München zurück. Soweit, so bekannt.

Spannend sind aber die Hinweise, die der BGH dem OLG München zur erneuten Entscheidung mitgegeben hat.

Beweislast

Zunächst weist der BGH darauf hin, dass die Darlegungs- und Beweislast für den Eintritt der Erschöpfung bei UsedSoft liegt. Nach deutschem Zivilprozessrecht ist das wenig überraschend. Der EuGH hatte allerdings mit einer etwas unglücklichen Formulierung in Deutschland für etwas Verwirrung gesorgt. Im Used-Soft-Urteil heißt es:

„Wie Oracle zutreffend ausführt, kann sich die Überprüfung, ob eine solche Kopie unbrauchbar gemacht worden ist, als schwierig erweisen. Jedoch steht der Urheberrechtsinhaber […] vor demselben Problem, da er kaum nachprüfen kann, ob der Ersterwerber nicht doch Programmkopien erstellt hat, die er nach dem Verkauf des materiellen Datenträgers weiterhin nutzen kann. Zur Lösung dieses Problems steht es dem […] Vertreiber frei, technische Schutzmaßnahmen, etwa Produktschlüssel, anzuwenden.”

Geht der EuGH also davon aus, dass es Sache des Rechteinhaber ist, zu beweisen, dass eine Erstkopie unbrauchbar gemacht wurde? Nein. Der EuGH spricht lediglich von der „Überprüfung” und dem „nachprüfen”. Es geht also nicht um den Beweis oder die Darlegung, sondern darum, dass sich der Rechteinhaber vor einem Prozess überzeugen muss, ob nun Erschöpfung eingetreten ist oder nicht.

UsedSoft wird deshalb insbesondere nachweisen müssen, dass die verkauften Lizenzen dauerhafte EWR-Lizenzen waren. Da Oracle sehr viele verschiedene Lizenzmodelle hat, muss UsedSoft also offenlegen, um welche genauen Lizenzen es geht.

Außerdem muss UsedSoft den Beweis antreten, dass die verkaufte Software bei dem Ersterwerber auch tatsächlich unbrauchbar gemacht wurde. Bisher nutzte UsedSoft dazu ein Notartestat, in dem der Ersterwerber erklärte, die Software nicht weiter zu benutzen. Das reicht allerdings nicht aus, so der BGH ausdrücklich:

„Es ist deshalb Sache der Beklagten, darzulegen und erforderlichenfalls nachzuweisen, dass die Kunden der Klägerin ihre Kopien der von der Beklagten weiterverkauften Computerprogramme unbrauchbar machen. Die Erfüllung dieser Voraussetzung ergibt sich nicht bereits daraus, dass die Beklagte ihren Kunden ein Notartestat übergibt, aus dem sich lediglich ergibt, dass dem Notar eine Erklärung des ursprünglichen Lizenznehmers vorgelegen hat, wonach er rechtmäßiger Inhaber der Lizenzen gewesen sei, diese nicht mehr benutze und den Kaufpreis vollständig bezahlt habe.”

Das Notartestat in der Form, wie es bisher bei UsedSoft eingesetzt wurde, reicht also nicht aus. Was der BGH allerdings offenlässt: Reich ein Notartestat generell nicht aus oder scheitert der Nachweis hier an der Formulierung des Testats? Auch nach über sechs Jahren Prozesslaufzeit sind also immer noch Detailfragen offen.

Volumenlizenzen

Der EuGH hatte in seiner Entscheidung auch an einem anderen Punkt für etwas Verwirrung gesorgt. In der UsedSoft-Entscheidung hieß es:

„Es ist jedoch daran zu erinnern, dass […] die Erschöpfung des Verbreitungsrechts […] den Ersterwerber nicht dazu berechtigt, die von ihm erworbene Lizenz, falls sie für eine seinen Bedarf übersteigende Zahl von Nutzern gilt, aufzuspalten und das Recht zur Nutzung des betreffenden Computerprogramms nur für eine von ihm bestimmte Nutzerzahl weiterzuverkaufen.”

Nach der Veröffentlichung der Entscheidung wurde diese Passage weitgehend so interpretiert, dass ein Aufspalten von Volumenlizenzen nicht zulässig sein soll. Wer also eine Lizenz für 10 Arbeitsplätze kauft, muss diese 10er-Lizenz weiterverkaufen und darf sie nicht in zwei 5er-Lizenzen aufspalten.

Eine andere Interpretation lieferte dann aber das OLG Frankfurt: Der EuGH spreche nicht von Volumenlizenzen, sondern von Client-Server-Lizenzen. Entscheidend sei, dass solche Lizenzen nicht so aufgespalten werden dürfen, dass am Ende mehr Lizenzen entstehen, als ursprünglich verkauft wurden.

Der BGH stützt diese Interpretation nun:

„Zum anderen verletzen die Kunden der Beklagten, die bereits über eine auf ihrem Server installierte Kopie des Computerprogramms verfügen und abgespaltene Lizenzen für zusätzliche Nutzer hinzukaufen, das Urheberrecht an diesem Computerprogramm, wenn sie die Software im Blick auf den Erwerb dieser zusätzlichen Lizenzen in den Arbeitsspeicher der Arbeitsplatzrechner weiterer Anwender laden und damit vervielfältigen. Nach den Feststellungen des Landgerichts kommt es nach dem Geschäftsmodell der Beklagten zu einer Zunahme der Vervielfältigungsstücke des Werkes, da eine Vervielfältigung auf dem Server des Ersterwerbers erhalten bleibt und eine neue Vervielfältigung auf dem Server des Zweiterwerbers erstellt wird.”

Das heißt: Auch die Diskussion um den Weiterverkauf von Volumenlizenzen erhält neuen Zündstoff.

Fazit

Im Jahr 2007 begann der Rechtsstreit im Fall UsedSoft. Nun, Anfang 2014, ist er noch immer nicht zu Ende. Und auch 1,5 Jahre nach der UsedSoft-Entscheidung des EuGH finden sich immer neue Detailfragen, die noch immer nicht beantwortet sind. Beweislast, geeignete Beweismittel, Reichweite, der Erschöpfungsgrundsatz ist auch nach so langer Zeit immer noch ein heiß umstrittenes Thema. Erst kürzlich hat das LG Berlin angedeutet, den Erschöpfungsgrundsatz nicht auf Computerspiele anwenden zu wollen. Kurz darauf wurde diese Ansicht vom EuGH andeutungsweise gestützt. Auch wenn im UsedSoft-Verfahren langsam Licht am Ende des Tunnels zu sehen ist, werden uns die Rechtsfragen um den Weiterverkauf digitaler Güter sicher noch lange beschäftigen.

Das UsedSoft II Urteil des BGH im Volltext.
Früherer Bericht zu der Entscheidung bei Telemedicus.
Die Hintergründe zum UsedSoft-Urteil des EuGH.
Themenseite Erschöpfungsgrundsatz bei telemedicus.info.

, Telemedicus v. 30.01.2014, https://tlmd.in/a/2713

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