Ende März hat der Bundesgerichtshof über die Frage entschieden, ob urheberrechtliche Sublizenzen auch dann bestehen bleiben, wenn die „Original-Lizenz” wegen eines Rückrufs des Urhebers entfällt. Das Problem war bislang heiß umstritten, denn ein „gutgläubiger Erwerb”, wie man ihn im Sachenrecht kennt, existiert im Urheberrecht nicht.
Dennoch entschied der BGH, dass im Falle eines Widerrufs durch den Urheber eventuelle Sublizenzen bestehen bleiben und veröffentlichte gestern seine Begründung dazu.
Der Sachverhalt
Der Fall handelte von einer typischen Dreiecksbeziehung im Urheberrecht: Ein Programmierer (A) hatte eine Software erstellt und seinem Kunden (B) die ausschließlichen Nutzungsrechte dafür eingeräumt – einschließlich des Rechts, Sublizenzen einzuräumen. Der Kunde übertrug nun wiederum einem Dritten (C) ein einfaches Nutzungsrecht an der Software.
Als nun sein Kunde (B) insolvent wurde, machte der Programmierer von seinem Rückrufsrecht aus § 41 Abs. 1 UrhG Gebrauch. Das hatte zur Folge, dass das ausschließliche Nutzungsrecht wieder zurück zu ihm, dem Urheber, fiel. Daraufhin wollte er auch dem Kunden seines Kunden (C) die Benutzung seiner Software untersagen. Der BGH hatte deshalb zu entscheiden, ob auch die Nutzungsrechte der „zweiten Generation” durch den Rückruf entfallen waren.
Streit in der Literatur
Bei seiner Entscheidung setzte sich der BGH sehr ausführlich mit den verschiedenen Literaturmeinungen zu diesem Problem auseinander. Im Wesentlichen kristallisierten sich dabei zwei Lager heraus:
Ein großer Teil der Literatur war der Ansicht, dass mit dem Rückruf sämtliche Nutzungsrechte an den Urheber (hier: A) zurück fallen – auch solche, die der bisherige Lizenznehmer (B) an Dritte vergeben hat. Grund sei zunächst der Zweckübertragungsgrundsatz aus § 31 Abs. 5 UrhG. Da im Urheberrecht immer so viele Rechte wie möglich beim Urheber verbleiben, sei es für den Urheber nicht hinnehmbar, dass er zwar seinem Lizenznehmer (B) die Nutzung verbieten könne, nicht aber allen Dritten, die eine Sublizenz erworben haben. Diese Dritten wiederum seien auch nicht schutzwürdig, da es im Urheberrecht keinen gutgläubigen Erwerb gebe und sie schließlich ihrerseits Schadensersatz von ihrem Sublizenzgeber (B) verlangen könnten.
Ein anderer Teil der Literatur meint, dass zumindest beim vorzeitigen Erlöschen des Lizenzvertrages, zum Beispiel durch Rückruf oder Rücktritt, die Sublizenzen bestehen bleiben sollen. Denn der Sublizenznehmer (C) könne das Schicksal des Vertrages zwischen dem Urheber (A) und dem Sublizenzgeber (B) meist weder beeinflussen, noch absehen. Er müsse deshalb davor geschützt werden, aus heiterem Himmel von einer solchen Auflösung seiner Nutzungsrechte getroffen zu werden.
BGH: Sublizenzen bestehen auch bei Rückruf weiter
Der BGH schloss sich der zweiten Ansicht an: Zumindest in der Konstellation, wo der Urheber selbst sein Rückrufsrecht ausübt und es lediglich um einfache Nutzungsrechte geht, die als Sublizenzen vergeben wurden, müsse der Urheber damit leben, dass diese Rechte fortbestehen. Schließlich versperre ihm ein einfaches Nutzungsrecht nicht die Möglichkeit, sein Werk anderweitig zu verwerten:
„Der Urheber wird beim wirksamen Rückruf eines ausschließlichen Nutzungsrechts nicht übermäßig in einer Nutzung seines Rechts beeinträchtigt, wenn die vom ausschließlich Nutzungsberechtigten erteilten einfachen Nutzungsrechte fortbestehen. Diese hindern ihn nicht daran, aufgrund des an ihn zurückgefallenen ausschließlichen Nutzungsrechts neue Nutzungsrechte zu vergeben. Da er der Erteilung weiterer Nutzungsrechte durch den Inhaber des ausschließlichen Nutzungsrechts zugestimmt hat (§ 35 Abs. 1 Satz 1 UrhG), muss er es hinnehmen, dass sein ausschließliches Nutzungsrecht beim Rückfall mit einfachen Nutzungsrechten belastet ist.”
Allerdings beschränkte der BGH diese Ansicht ausdrücklich auf diese konkrete Konstellation, denn entscheidend sei stets eine individuelle Abwägung zwischen den Interessen des Urhebers und der Lizenznehmer. Auch wenn sie im Ergebnis ein Stück mehr Rechtssicherheit beim Handel mit Software-Lizenzen bedeutet, ist die Entscheidung also keine allumfassende Versicherung für Sublizenzen.
Das Urteil „Reifen Progressiv” des BGH im Volltext.
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