Der BGH hat seine Verhandlungs- und Verkündungstermine für die nächsten Monate veröffentlicht. Darunter sind gleich eine ganze Reihe von Verfahren, die medienrechtlich interessant sind. Es folgt ein Überblick über die Verfahren mit Bezug zum Medien- und Internetrecht mit kurzen Hintergrundinformationen.
Werbeanrufe mit „Double-Opt-in”
Am 10. Februar verhandelt der BGH in einem Streit zwischen zwei Krankenkassen über unerlaubte Werbeanrufe (Az. I ZR 164/09). Die Beklagte hatte sich gegenüber der Klägerin im Jahr 2003 strafbewehrt verpflichtet, es zu unterlassen, Verbraucher anderer Krankenkassen ohne deren Einverständnis zu Werbezwecken anzurufen. Im September 2008 erhielten zwei Verbraucher Werbeanrufe von einem beauftragten Unternehmen der Beklagten. Die Beklagte behauptet, die Einwilligung dazu im „Double-Opt-In”-Verfahren erhalten zu haben. Die Klägerin verlangt von der Beklagten Zahlung der Vertragsstrafe. Damit war sie in den Vorinstanzen beim LG Dresden (Az. 42 HKO 42/08) und OLG Dresden (Az. 14 U 721/09) erfolgreich.
Urheberrechtlicher Streit um Lernspiele
Ebenfalls am 10. Februar verhandelt der BGH über einen Streit zwischen zwei Herstellern von Lernsoftware (Az. I ZR 140/09). Die Klägerin entwickelt und vertreibt Lernsysteme, bestehend aus einem Kontrollgerät und Aufgaben- oder Übungsheften. Die Beklagte ist ein Verlagsunternehmen, das ebenfalls Lernsysteme unter dem Zeichen herstellt. Die Klägerin hält ihre Lernspiele als wissenschaftliche Darstellungen für urheberrechtlich geschützt und meint, die Spiele der Beklagten seien Nachahmungen, die nicht nur urheberrechtlich, sondern auch wettbewerbsrechtlich unzulässig seien. Das LG Köln (Az. 28 O 483/06) hat der Klage stattgegeben, das OLG Köln (Az. 6 U 225/08) hat sie abgewiesen. Dabei hat es unterstellt, dass die Kontrollgeräte als wissenschaftliche Darstellungen gem. § 2 Abs. 1 Satz 7 UrhG urheberrechtlich geschützt seien, eine Übernahme durch die Beklagte aber verneint. Auch wettbewerbsrechtliche Ansprüche hat das OLG Köln nicht angenommen und dafür auch keine Revision zugelassen.
VISA-Werbung
Am 3. März verhandelt der BGH über die Zulässigkeit einer Werbekampagne für eine VISA-Karte (Az. I ZR 167/09). Die Beklagte hatte unaufgefordert an Verbraucher persönlich adressierte Werbeschreiben verschickt, denen bereits eine ausgestellte VISA-Karte beigefügt war. In dem Schreiben wurde der Verbraucher aufgefordert, den ebenfalls beigefügten „Freischaltungsauftrag” zurückzusenden und die Karte zu unterschreiben. Am Ende hieß es: „Als besonderes Dankeschön schenken wir Ihnen den 1. Jahresbeitrag… in Höhe von 49 Euro”. Der Kläger sieht darin eine unsachliche Einflussnahme auf die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers (§ 4 Nr. 1 UWG). Außerdem führe der Begriff „Freischaltauftrag” in die Irre (§ 5 Abs. 2 UWG) und die Werbung an sich sei eine unzumutbare Belästigung (§ 7 Abs. 1 UWG). Der Kläger verlangt nun den Ersatz seiner Abmahnkosten. LG Bonn (Az. 14 O 18/09) und OLG Köln (Az. 6 U 95/09) haben die Klage abgewiesen.
Einführungspreise
Am 17. März verhandelt der BGH schließlich über einen Streit um die Werbung mit Einführungspreisen (Az. I ZR 81/09). Der Beklagte hatte für Teppiche mit Einführungspreisen geworben, denen durchgestrichene Preise gegenübergestellt waren. Die Klägerin sieht darin einen Wettbewerbsverstoß, da nicht angegeben sei, bis wann der Einführungspreis gelten solle (§ 4 Nr. 4 UWG), und unklar bleibe, um welchen es sich bei den durchgestrichenen Preisen handele (§ 5 Abs. 1 UWG). Das LG Freiburg (Az. 12 O 153/07) hat der Klage wegen des Vorwurfs intransparenter Preiswerbung (§ 4 Nr. 4 UWG) stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Das OLG Karlsruhe (Az. 4 U 49/08) hat außerdem festgestellt, dass es auf eine Irreführung nach § 5 Abs. 1 UWG gar nicht mehr ankäme, weil ein Verstoß gegen § 4 Nr. 4 UWG bereits das Verbot der gesamten Anzeige rechtfertige.
Internationale Zuständigkeit bei ausländischen Veröffentlichungen
Am 29. März geht es um die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte bei Persönlichkeitsverletzungen im Ausland (Az. VI ZR 111/10). Die Beklagte lebt in den USA und hatte unter einer .com Domain einen Bericht in russischer Sprache und in kyrillischer Schrift veröffentlicht. Der Kläger ist russischer Geschäftsmann und hat auch einen Wohnsitz in Deutschland. Er sah sich durch den Bericht in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt und klagte in Deutschland auf Unterlassung, Schadensersatz und Auskunft über Zeitraum und Ausmaß der Veröffentlichung. Das LG (Az. 28 O 478/08) und OLG Köln (Az. 15 U 148/09) hielten sich nicht für zuständig. Das OLG Köln ließ jedoch die Revision zum BGH zu, der nun über die Zuständigkeit zu entscheiden hat.
Werbung mit ICE
Am 7. April verhandelt der BGH im Streit um eine Werbeanzeige mit dem Bild eines ICE (Az. I ZR 56/09). Der Kläger hatte im Ausstellerkatalog einer Fachmesse mit der Abbildung eines ICE 3-Zuges geworben. Die Beklagte hat für diesen Zug und für weitere Modelle Geschmacksmuster eintragen lassen. Sie schrieb den Kläger, der zuvor lediglich für den ICE 1 eine technische Anlage entwickelt hatte, wegen dessen Abbildung des ICE 3 an und drängte im weiteren Verlauf der Korrespondenz vergeblich auf den Abschluss eines Lizenzvertrages. Der Kläger verlangt nun die Feststellung, dass der Beklagten keine Unterlassungs- oder Schadensersatzansprüche wegen der Abbildung des ICEs zustehen. LG Berlin (Az. 16 O 541/05) und Kammergericht (Az. 5 U 67/06) haben die Klage abgewiesen.
Geruchsmarken
Am 5. Mai hat der BGH über die Nachahmung von Gerüchen zu entscheiden (Az. I ZR 157/09). Die Klägerin ist Parfumherstellerin, die Beklagte vertreibt Parfums im Internet. Einige dieser Parfums sollen ähnlich riechen, wie Produkte der Klägerin. Diese verlangt nun Unterlassung. Während das LG Berlin (Az. 97 O 2/05) der Klage noch teilweise stattgegeben hat, hat das Kammergericht (Az. 5 U 48/06) die Klage abgewiesen. Nun muss der BGH schnüffeln.
WLAN-Sharing
Am 22. Juni verhandelt der BGH im Streit um die WLAN-Community FON (Az. I ZR 105/09). Bei FON geht es um sog. „WLAN-Sharing”. Mitglieder der Community können einen speziellen Router erwerben, mit dem sie ihr WLAN für andere Community-Mitglieder freigeben. Auch für anonyme Nutzer kann der Anschluss, ggf. gegen Bezahlung, freigegeben werden. Gegen diese Community hatte ein Internet-Provider geklagt. Durch die Community werde sein Geschäftsmodell untergraben, denn Flatrates seien nur auf einzelne Haushalte ausgelegt. Außerdem verleite die Community ihre Mitglieder zum Vertragsbruch, denn in den AGB des Providers sei – wie bei den meisten anderen Anbietern auch – das WLAN-Sharing ausgeschlossen. Sowohl LG (Az. 33 O 210/07) als auch OLG Köln (Az. 6 U 223/08) haben der Klage stattgegeben.
Telemedicus zum Urteil des OLG Köln.
Teddywerbung und Druckerpatronen
Am 21. Juli hat es der BGH mit einem Streit um die Gestaltung von Verpackungen für Druckerpatronen zu tun. Die Klägerin produziert und vertreibt Drucker und dazu passende Patronen. Auf den Packungen der Patronen bringt sie neben einem Hinweis auf das Druckermodell Bildmotive (Teddybären, Badeenten etc.) an, die sich auch auf den Druckern wiederfinden. Die Beklagten vertreiben Druckerpatronen, die zu den Druckern der Klägerin kompatibel sind. Auf den Verpackungen sind die entsprechenden Typenbezeichnungen der Modelle angegeben und auch die Bildmotive in abgewandelter Form. Die Klägerin sah darin eine Rufausbeutung im Sinne von § 6 Abs. 2 Nr. 4 UWG und klagte auf Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz. Sowohl LG (Az. 38 O 185/07) als auch OLG Düsseldorf (Az. 20 U 190/08) haben der Klage stattgegeben.
Internationale Zuständigkeit bei Veröffentlichungen ausländischer Anbieter
Ebenfalls im Frühjahr (der genaue Termin steht noch nicht fest) hat sich der BGH erneut mit der internationalen Zuständigkeit im Äußerungsrecht zu befassen. Diesmal geht es um eine deutschsprachige Veröffentlichung eines österreichischen Medienunternehmens. Kläger ist (wieder einmal) einer der Möder des Schauspielers Walter Sedlmayr, der sich gegen eine namentliche Berichterstattung wehrt. Auf der österreichischen Internetseite war bis 2007 ein Artikel aus dem Jahr 1999 veröffentlicht, in dem über den Kläger namentlich berichtet wurde. In der Meldung, die von einem anderen Medium übernommen war, ging es um die Verfassungsbeschwerde der Täter gegen ihre Verurteilung. Der Kläger sah sich dadurch in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt. LG (Az. 324 O 548/07) und OLG Hamburg (Az. 7 U 22/08) hatten der Klage stattgegeben.
Evergreen: Ferienwohnung von Prinz Ernst August
Ebenfalls ohne genaue Terminangabe hat der BGH die erneute Verhandlung im Streit zwischen Prinz Ernst August von Hannover und einem Presseverlag angekündigt (Az. VI ZR 169/08). Der Verlag hatte in einer Zeitschrift einen Artikel abgedruckt, in dem über die Vermietung einer Ferienvilla des Prinzen auf einer Insel vor Kenia berichtet wurde. Der Artikel war mit einem Foto des Klägers und seiner Ehefrau auf einer belebten Straße illustriert. Das LG Hamburg (Az. 324 O 868/04) hatte bereits im Jahr 2005 der Klage unter Berufung auf die Caroline-Rechtsprechung stattgegeben. Das OLG Hamburg (Az. 7 U 81/05) wies die Klage Anfang 2006 hingegen ab. Im Jahr 2007 hob der BGH die Entscheidung des OLG auf. Diese Entscheidung wurde wiederum im Jahr 2008 vom Bundesverfassungsgericht aufgehoben und an den BGH zurück verwiesen. Dieser wollte bereits im Jahr 2009 und im Jahr 2010 erneut entschieden haben, nun wurde die Verhandlung auch ins Jahr 2011 mitgenommen, ohne dass ein genauer Termin festgesetzt wurde.