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BGH: Kein pauschaler Unterlassungsanspruch gegen Presse

Der Bundesgerichtshof hat gestern entschieden, dass es keinen umfassenden vorbeugenden Anspruch eines Kindes gegenüber der Presse gibt, die Veröffentlichung jeglicher Fotos bis zur Volljährigkeit zu unterlassen (Az. VI ZR 314/08 und VI ZR 315/08). Denn auch die Zulässigkeit von Berichterstattungen über Minderjährige ist stets an einer individuellen Einzelfallabwägung festzumachen. Pauschale Unterlassungsansprüche würden demgegenüber die Presse- und Äußerungsfreiheit unverhältnismäßig verkürzen, so der BGH.
LG und OLG Hamburg haben pauschalen Unterlassungsanspruch bejaht

Im vorliegenden Rechtsstreit hatten die minderjährigen Kinder von Franz Beckenbauer gegen den Zeitschriftenverlag Hubert Burda Medien geklagt. In verschiedenen Zeitschriften von Burda waren Fotos der Kinder mit ihren Eltern abgebildet worden. Auf Verlangen der Kinder hat der Verlag zunächst bezüglich der Bildberichterstattung eine Unterlassungsverpflichtungserklärung abgegeben. Zudem wurde der Burda Verlag vom LG Hamburg und vom OLG Hamburg dazu verurteilt, bis zur Volljährigkeit der Kinder pauschal keine Fotos mehr zu veröffentlichen oder zu verbreiten, die die Kinder zeigen. Dagegen legte das Verlagshaus Revision beim BGH ein.

BGH: Notwendigkeit der Einzelfallabwägung steht pauschalem Unterlassungsanspruch entgegen

Der VI. Zivilsenat des BGH hat die Einschätzung der Hamburger Gerichte in seiner gestrigen Entscheidung nicht geteilt. Er hat vielmehr entschieden, dass solch umfassender vorbeugender Unterlassungsanspruch auch einem betroffenen Kind nicht zusteht. Dies gelte selbst dann, wenn sein Recht am eigenen Bild durch Berichterstattung der Presse bereits mehrfach verletzt wurde. Denn für die Zulässigkeit von Bildberichterstattungen sei stets am Ergebnis einer individuellen Abwägungung zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und dem Schutzinteresse des Abgebildeten festzumachen, so der BGH. Dazu führt das oberste deutsche Zivilgricht in einer Pressemitteilung aus:

„Eine solche Interessenabwägung kann nicht in Bezug auf Bilder vorgenommen werden, die noch gar nicht bekannt sind und bei denen insbesondere offen bleibt, in welchem Kontext sie veröffentlicht werden.“

Pressefreiheit schlägt pauschalen Minderjährigenschutz

Auch der Umstand, dass es sich vorliegend bei den Betroffenen um Minderjährige handelt, ist dem BGH zufolge in diesem Zusammenhang unbeachtlich. Denn dem Schutz Minderjähriger kommt gegenüber dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit nach Ansicht des BGH kein absoluter Vorrang zu. Zwar müssten Kinder grundsätzlich stärker gegen persönlichkeitsrechts-relevante Berichterstattungen geschützt werden als Erwachsene. Jedoch sei dieser Schutz wiederum auch nicht so stark, als dass er sich pauschal immer gegenübenüber der Presse- und Äußerungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) durchsetzen könnte. Deswegen bedürfe es im Interesse der Kommunikationsgrundrechte auch hier stets einer Einzelfallentscheidung, so die Karlsruher Richter.

Der Entscheidungstext liegt noch nicht vor.

Pressemitteilung des BGH.

, Telemedicus v. 07.10.2009, https://tlmd.in/a/1519

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