Das Bewertungsportal Yelp darf bestimmte Bewertungen hervorheben und andere ignorieren. Das hat der BGH am 14.01.2020 entschieden (Urt. v. 14.01.2020, Az. VI ZR 495/18). Mittlerweile liegt das Urteil im Volltext vor.
Viele Verbraucher informieren sich heutzutage im Internet über Geschäfte aller Art: Von Restaurants und Wäschediensten bis hin zum Optiker und Kfz-Mechaniker. „Yelp” ist eine Online-Plattform, die solche Informationen gesammelt anbietet und den Verbrauchern die Möglichkeit bietet, diese Leistungen zu bewerten. Yelp-Nutzer bewerten die Gewerbetreibenden dabei auf einer Skala von 1-5 Sternen und mit einer Begründung. Daraus ergibt sich dann eine Gesamtnote – doch nicht alle Bewertungen fließen mit ein. Denn einige davon beachtet Yelp nicht.
Warum ist das so? Weil bei einfach zugänglichen Massenbewertungen oft nicht überschaubar ist, welche der Bewertungen seriös sind. Teils handelt es sich um eigene, gekaufte oder sogar arglistige, falsche Bewertungen. Im Zeitalter des Online-Marketings sind solche Vorfälle üblich. Um die Verlässlichkeit der Bewertungen zu garantieren, benutzt Yelp deshalb eine Bewertungssoftware. Deren Algorithmus ordnet Bewertungen in „empfohlen“ und „nicht empfohlen“ ein. Maßstab dafür sind u.a. die Zuverlässigkeit und Aktivität des Bewerters auf Yelp.
Um von der selektiven Auswahl zu erfahren, muss der Nutzer bei Yelp zunächst auf den Button „Details” klicken:
Klickt er auf „Details”, zeigt ihm die Plattform eine genauere Beschreibung der Bewertungen, mit dem Zusatz:
„Wir berechnen die Gesamtbewertung nur aus den Beiträgen, die momentan von unserer automatisierten Software empfohlen werden. Mehr erfahren.“
Klickt der Nutzer auf „Mehr erfahren“, kommt er auf eine Webseite, auf der Bewertungsalgorithmus von Yelp erklärt wird.
Im Kern heißt dies: Nur die von Yelp empfohlenen Beiträge bilden die auf dem jeweiligen Unternehmensprofil einsehbare Gesamtbewertung. Aber wie transparent und verlässlich ist dieses Auswahlsystem?
Die Betreiberin eines Fitnessstudios fühlte sich jedenfalls ungerecht bewertet und klagte gegen Yelp. Auf ihrem Profil waren nur wenige Bewertungen angezeigt worden; fast 95 % der Bewertungen wurden nicht berücksichtigt, darunter vor allem positive Bewertungen. Dadurch entstand der Eindruck, dass ihre Leistung viel schlechter bewertet wurde, als wenn alle Bewertung gleichberechtigt in die Gesamtnote eingeflossen wären. Das OLG München hatte der Klägerin noch Recht gegeben: Die Bewertungsweise verzerre das Gesamtbild. Hiergegen legte Yelp aber Revision zum BGH ein.
Nun entschied der BGH: Die Klägerin hat keinen Unterlassungs- und Schadensersatzanspruch gegen Yelp. Der BGH prüft dies unter zwei rechtlichen Gesichtspunkten: Einer möglichen Kreditgefährdung (§ 824 BGB) und einer Verletzung des Unternehmenspersönlichkeitsrechts (§ 823 BGB). Keine der beiden Vorschriften sieht der BGH aber als verletzt an.
Der Klägerin steht kein Anspruch aus Kreditgefährdung (§ 824 Abs. 1 BGB) zu, entschied der BGH.
Die Vorschrift liest sich wie folgt:
§ 824 BGB
(1) Wer der Wahrheit zuwider eine Tatsache behauptet oder verbreitet, die geeignet ist, den Kredit eines anderen zu gefährden oder sonstige Nachteile für dessen Erwerb oder Fortkommen herbeizuführen, hat dem anderen den daraus entstehenden Schaden auch dann zu ersetzen, wenn er die Unwahrheit zwar nicht kennt, aber kennen muss.
Der BGH meint nun, der Tatbestand der Vorschrift sei nicht verwirklicht: Yelp habe durch die (selektive) Gesamtbewertung keine unwahren Tatsachen behauptet oder verbreitet. Es handele sich nicht um eine Tatsachenbehauptung, sondern um ein Werturteil. Über das Fitnessstudio selbst habe Yelp außerdem nichts gesagt, nur über die einzelnen Bewertungen. Denn nur diese wurden ausgewählt und beurteilt. Ein „unvoreingenommener und verständiger“ Nutzer verstehe dies, so der BGH. Man könne anhand des Zusatzes neben der Sterneskala und am Ende der Webseite erkennen, dass nicht jede Bewertung in die Gesamtbewertung einfließe und dass die „nicht empfohlenen” Bewertungen nach dem Klick abrufbar sind.
Der BGH entschied außerdem, dass die Klägerin nicht in ihrem Unternehmenspersönlichkeitsrecht und Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (§ 823 Abs. 1 BGB) verletzt wurde. Der BGH argumentiert, aus der Auswahl der Beiträge ergebe sich keine Quasi-Meinung über das Fitnessstudio. Durch die Einordnung der Bewertungen werde lediglich deren Qualität eingeschätzt.
So der BGH im Yelp-Urteil:
Der Betrieb eines Bewertungsportals erfüllt eine von der Rechtsordnung gebilligte und gesellschaftlich erwünschte Funktion. […] Das gilt auch für die Kontrolle und Bewertung von Nutzerbeiträgen durch den Betreiber eines Bewertungsportals zu dem Zweck, dessen Funktionsfähigkeit zu schützen und zu unterstützen.
BGH, Urteil vom 14. Januar 2020 – VI ZR 496/18, Rn. 46f.
(Hervorhebungen hinzugefügt)
Um die Gefahr unwahrer, beleidigender oder sonst unzulässiger Aussagen und des Missbrauchs des Bewertungsportals vorzubeugen sei eine Beurteilung der Beiträge deshalb durchaus erforderlich. Dass dabei möglicherweise Bewertungen hervorgehoben werden, die den Gewerbebetreibenden negativ beurteilen, sei gerechtfertigt. Denn eine Kritik an seinen Leistungen müsse der Gewerbetreibende grundsätzlich hinnehmen.
Und in noch einem Kritikpunkt gab der BGH im Ergebnis Yelp Recht: Die Plattform muss ihre selektive Auswahl der Bewertungen auch nicht begründen. Sie darf also nach eigenem Ermessen Bewertungen berücksichtigen oder nicht; die Gründe dafür muss sie aber nicht nennen. Warum ist das nicht unerlaubte Willkür?
Yelp ist bekannt dafür, dass sein Algorithmus Bewertungen strenger beurteilt als vergleichbare Dienste wie Google oder TripAdvisor. Diese kontrollieren höchstens nur, ob der Inhalt rechtswidrig ist oder gegen ihre Richtlinien verstößt. Yelp versucht, sich auf diese Weise von anderen Bewertungsportalen abzuheben und ein größeres Vertrauen der Nutzer zu erreichen. Häufig beschwerden sich aber vor allem kleine Unternehmen hierüber.
Der BGH verweist an dieser Stelle aber auf seine ständige Rechtsprechung:
Jeder soll frei sagen können was er denkt, auch wenn er keine nachprüfbaren Gründe für sein Urteil abgibt (vgl. BVerfGE 61, 1, 7; 42, 163, 170 f.). [Der Grundrechtsschutz aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG] besteht unabhängig davon, ob eine Äußerung […] begründet oder grundlos ist […] (vgl. BVerfGE 124, 3000, 320; 102, 347, 366; 93, 266, 289 […]).
BGH, Urteil vom 14. Januar 2020 – VI ZR 496/18, Rn. 50.
(Hervorhebungen hinzugefügt)
Der BGH sagt also: Yelp muss seine Bewertung nicht näher begründen, und zwar weil dies anderenfalls die Meinungsfreiheit einschränken würde. Dass der Bewertungsprozess durch den Algorithmus automatisiert abläuft, sei dabei unbeachtlich. Für die Qualifizierung als „Meinung” komme es darauf nicht an. Die Meinungsfreiheit von Yelp überwiegt an dieser Stelle also das Interesse der Gewerbetreibenden.
Das Yelp-Urteil des BGH im Volltext.
Pressemittelung des BGH zum Yelp-Urteil.
Dieser Beitrag erscheint im Rahmen der Zusatzausbildung „Recht und Kommunikation”, die Telemedicus gemeinsam mit Bird & Bird anbietet. Weitere Informationen zur Zusatzbildung finden sich hier. Die Beiträge geben inhaltlich lediglich die Auffassung der jeweiligen AutorInnen wieder.