Persönlichkeitsrechte von Prominenten gestärkt
Der BGH hatte sich am vergangenen Dienstag einmal mehr mit der Frage zu beschäftigen, unter welchen Bedingungen Fotos von Personen der Zeitgeschichte zulässig sind. Dass Prominente am liebsten selber bestimmen würden, was über sie berichtet wird, ist hinlänglich bekannt: Das Ehepaar Caroline und Ernst August von Hannover setzte sich vor Gericht dagegen zur Wehr, dass in verschiedenen Presseerzeugnissen Bilder aus ihrem Privatleben gezeigt wurden. Der für Presserecht zuständige sechste Zivilsenat des BGH stand daher vor der heiklen Aufgabe, sich im Lichte der umstrittenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (Caroline-Urteil) erneut mit dem Verhältnis von Privatsphäre und Pressefreiheit auseinanderzusetzen.
In dem mit Spannung erwarteten Urteil sorgte das Gericht nach Meinung vieler Beobachter für einen Paradigmenwechsel, da es sich in einem wichtigen Punkt seiner Entscheidung fast wortgetreu an der Rechtsprechung des EGMR orientiert: Auch die Berichterstattung über absolute Personen der Zeitgeschichte müsse einen Beitrag zu einer Debatte von allgemeinem Interesse leisten und dürfe nicht allein der Befriedigung der Neugierde dienen. Damit weicht der BGH die Figur der „absoluten Person der Zeitgeschichte“ auf: Solche besonders prominenten Personen mussten sich bisher auch ohne besonderen Anlass grundsätzlich die Berichterstattung der Presse gefallen lassen.
Künftig Interessensabwägung notwendig
Die Öffentlichkeit habe, so der BGH, zwar grundsätzlich einen Anspruch darauf, über alle Fragen des Zeitgeschehens unterrichtet zu werden. Bei der Berichterstattung müsse die Presse allerdings die geschützte Privatsphäre desjenigen beachten, über den sie berichten will. Es bedürfe somit stets einer Interessenabwägung: Auch bei den so genannten absoluten Personen der Zeitgeschichte dürfe der Informationswert der Berichterstattung nicht außer Betracht bleiben. Dabei wiege der Schutz der Persönlichkeit des Betroffenen umso schwerer, je geringer der Informationswert für die Allgemeinheit sei.
Die Berichterstattung müsse demnach in jedem Fall über die Befriedigung bloßer Neugier hinausgehen und zu einer Debatte mit Sachgehalt beitragen. Bei dieser Beurteilung des Informationswerts bzw. der Frage, ob es sich um ein zeitgeschichtliches Ereignis handelt, sei ein weites Verständnis sowie die Einbeziehung der zugehörigen Wortberichterstattung geboten.
Daher seien diejenigen Fotos zulässig, die im Zusammenhang mit der Wortberichterstattung über die Erkrankung des damals regierenden Fürsten von Monaco veröffentlicht wurden, denn bei dieser handele es sich um ein zeitgeschichtliches Ereignis. Den anderen Texten bzw. Fotos sei in Ermangelung eines objektiven Informationswertes keinerlei Beitrag zu einem Thema von allgemeinem Interesse zu entnehmen, so der Berichterstattung über eine Geburtstagsfeier, eine Urlaubsreise oder die Vermietung einer Villa des Paares.
Besorgte Reaktionen bei der Presse und Verlegerverbänden
Dr. Christoph Fiedler, Leiter Medienpolitik im Verband Deutscher Zeitschriftenverleger, kritisiert das Urteil scharf:
Das Bundesverfassungsgericht wird dieser bedenklichen Annäherung an die zu restriktive französische Rechtsprechung hoffentlich eine Absage erteilen. Andernfalls könnten Prominente aus Politik, Gesellschaft und Wirtschaft eine Macht über die sie betreffende Berichterstattung gewinnen, die mit einer freiheitlichen Demokratie nur schwerlich vereinbar scheint.
Der Bundesvorsitzende des Deutschen Journalistenverbandes Michael Konken zeigt sich besorgt:
Mit den oft hektischen Arbeitsbedingungen in Redaktionen ist die Abwägung, wie sie die Richter fordern, schwer zu vereinbaren. Ich befürchte, dass nach dem neuen Caroline-Urteil des Bundesgerichtshofs weitere Gerichtsverfahren anderer Prominenter vorprogrammiert sind.
Selbst wenn die Redaktionen am Ende Recht bekämen, seien fortwährende juristische Auseinandersetzungen hinderlich für die journalistische Arbeit.
Auch im Blätterwald sorgt das Urteil für wenig Begeisterung und so macht sich verhaltener Pessimismus und neue Unsicherheit breit: Wer soll künftig die Entscheidung treffen, was von allgemeinem Interesse für die Berichterstattung ist und was nicht? Unisono ist von einer Einschränkung der Pressefreiheit die Rede. Exemplarisch für die momentane Gefühslage ist der pessimistische Kommentar Michael Hanfelds von der FAZ:
Wir müssen künftig nicht nur berichten, sondern auch beweisen, dass etwas von allgemeinem Belang und wichtig für die Demokratie ist. Nicht vor dem Leser, sondern vor dem Richter.
Ob er mit seiner Prognose Recht behält, wird sich zeigen: Etwas mehr Klarheit bringen hoffentlich die zahlreichen weitere Urteile, die in den nächsten Monaten vom BGH erwartet werden. Dann muss sich das Gericht mit Klagen von Oliver Kahn, Sabine Christiansen oder Franziska van Almsick auseinandersetzen.