Filesharing ist ein juristisches Massengeschäft. Das wichtigste Instrument beim Kampf gegen Raubkopien über Peer-to-Peer-Netzwerke ist der Auskunftsanspruch nach § 101 Abs. 2 UrhG. Danach müssen Provider unter bestimmten Voraussetzungen die Daten ihrer Kunden herausgeben.
Der BGH hat sich nun mit diesen Voraussetzungen genauer befasst und entschieden: Für den Auskunftsanspruch kommt es nicht auf ein „gewerbliches Ausmaß” der Urheberrechtsverletzungen an. Es genügt, dass es sich um eine „offensichtliche Rechtsverletzung” handelt.
Hierzu aus der Pressemitteilung des BGH:
Der in Fällen offensichtlicher Rechtsverletzung […] gegebene Anspruch des Rechtsinhabers aus § 101 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 UrhG auf Auskunft gegen eine Person, die in gewerblichem Ausmaß für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen erbracht hat […], setzt nicht voraus, dass die rechtsverletzende Tätigkeit das Urheberrecht oder ein anderes nach dem Urheberrechtsgesetz geschütztes Recht in gewerblichem Ausmaß verletzt hat.
Das OLG Köln hatte als Vorinstanz noch andere Voraussetzungen angenommen: Nur bei Rechtsverletzungen in gewerblichem Ausmaß bestünde ein Auskunftsanspruch. Bei einem einmaligen Upload eines Liedes sei dies aber nicht gegeben, so das OLG.
Dem hat der BGH nun widersprochen. Diese Voraussetzung würde sich weder aus Wortlaut noch aus Systematik des Gesetzes ergeben. § 101 Abs. 2 Nr. 3 UrhG lautet:
(2) In Fällen offensichtlicher Rechtsverletzung […] besteht der Anspruch […] auch gegen eine Person, die in gewerblichem Ausmaß
[…]
3. für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen erbrachte […]
Das „gewerbliche Ausmaß” bezieht sich nach Ansicht des BGH also auf die Dienstleistung – zum Beispiel eines Providers – und nicht auf die Urheberrechtsverletzung. Solange die Dienstleistung gewerblich erbracht wird, kommt es auf das Ausmaß der Urheberrechtsverletzung demnach nicht an.
Die Bestimmung sei vielmehr dazu da, Rechtsverletzungen im Internet wirksam zu bekämpfen. Auch bei Rechtsverletzungen unterhalb gewerblichen Ausmaßes stünden Rechteinhabern demnach Auskunftsansprüche zu. Bei einfachen Verletzungen wären Rechtsinhaber sonst faktisch schutzlos gestellt. Im Klartext heißt das: Der Rechteinhaber kann vom Provider Auskunft über jeden Rechtsverletzer verlangen. Auch wenn der Rechtsverletzer die Dienstleitung des Providers (Dienstleistung in gewerblichem Ausmaß) nur für eine Rechtsverletzung genutzt hat.
Die Voraussetzungen eines erfolgreichen Antrages seien vielmehr eine Abwägung der betroffenen Rechte des Rechtsinhabers, des Auskunftspflichtigen und der Nutzer. Unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit sei ein Auskunftsanspruch in aller Regel aber ohne weiteres begründet, so der BGH.
Eine eindeutigere Gesetzesformulierung hätte also den Gang durch die Instanzen verhindern können. Doch wer komplexe Sprache liebt, der wird auch mit der Pressemitteilung des BGH seine Freude haben.
Zur Pressemitteilung des BGH.
Der Beschluss des BGH (Az. I ZB 80/11) im Volltext.