Vor genau einer Woche ist der Gewinnspielsender 9Live vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) im einstweiligen Rechtsschutz gegen die Gewinnspielsatzung der Landesmedienanstalten gescheitert (Telemedicus berichtete). Nun liegt uns der Volltext der Entscheidung (Az. 7 NE 09.1378) aus München vor.
9Live wehrt sich gegen die Gewinnspielsatzung
Nach Ansicht von 9Live greift die Gewinnspielsatzung (PDF) in ungerechtfertigter Weise in die Grundrechte des Senders ein. Daher hat der Call-In-Show-Sender vor dem BayVGH ein Normenkontrollverfahren gegen das Regelwerk angestrengt. Gleichzeitig hatte der Sender in einem Eilverfahren beantragt, bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens die Anwendbarkeit der Satzung auszusetzen.
Die Münchener Richter bezeichnen in ihrer nun vorliegenden Entscheidung den Ausgang der Normenkontrolle in der Hauptsache zwar als offen, gaben dem Antrag von 9Live aber dennoch nicht statt.
9Live: Gewinnspielsatzung eklatant rechtswidrig – BLM hat keine Bedenken
Der Gewinnspielsender hatte in seinem Antrag darauf verwiesen, dass die Satzung in ungerechtfertigter Weise in seine Grundrechte auf Rundfunk- und Berufsfreiheit eingreife. Darüber hinaus sei der Gleichheitsgrundsatz verletzt und die Satzung aus formellen verfassungsrechtlichen Gründen unzulässig:
„Mit […] [der Gewinnspielsatzung] werde in rechtswidriger Weise in die Mediengrundrechte […] der Rundfunkveranstalter eingegriffen. Die Satzung führe zu einer nicht akzeptablen Beschränkung des programmlichen Spielablaufs […]. Die Gewinnspielsatzung sei in einer unzulässigen Handlungsform erlassen worden, verstoße gegen den Vorbehalt des Gesetzes und das Bestimmtheitsgebot, überschreite zum Teil die Gesetzgebungskompetenz der Länder und stelle eine unzulässige Ungleichbehandlung des privaten Rundfunks gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk dar. Mehrere Satzungsbestimmungen seien zudem von der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage nicht gedeckt oder zu unbestimmt formuliert; […]”
Im Verfahren war als Antragsgegnerin die Bayerische Landeszentrale für Neue Medien (BLM) als rundfunkrechtliche Aufsichtsbehörde von 9Live benannt. Ihrer Darstellung nach bestehen keinerlei rechtliche Bedenken gegen die dort getroffenen Regelungen.
BayVGH: Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen
Die Richter des BayVGH wiesen im Ergebnis den Antrag von 9Live auf einstweilige Aussetzung der Gewinnspielsatzung tatsächlich zurück. Dabei schlossen sie sich allerdings nicht vollständig der Argumentation der BLM an. Vielmehr sei die Rechtlage und damit auch der Ausgang des Hauptsacheverfahrens ungewiss:
„ Eine gesicherte Prognose über den möglichen Erfolg oder Misserfolg des Normenkontrollantrags ist […] zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht möglich.”
Doppelhypothese fällt zuungunsten von 9Live aus
Aufgrund dieser Zweifel konnte das Gericht bei seiner Eilentscheidung nicht auf den wahrscheinlichen Ausgang der Hauptsache abstellen. In solchen Fällen ist dann auf die sogenannte „Doppelhypothese” zurückzugreifen. Das bedeutet, dass der Erlass einer einstweiligen Anordnung von einer Abwägung der Folgen abhängig gemacht wird, die bei Erlass oder bei Ablehnung der einstweiligen Anordnung eintreten würden. Diese Abwägung fiel vorliegend zu Ungunsten von 9Live aus.
Erste Hypothese: Einstweilige Anordnung wird erlassen – Hauptsache scheitert
Für den Fall, dass die einstweilige Anordnung erlassen werden würde und die Normenkontrolle später erfolglos bliebe, wäre der spezifische Verbraucher- und Jugendschutz, wie ihn § 8a RStV durch die Gewinnspielsatzung sicherstellen sollen, nicht mehr gewährleistet. Dass für 9Live auf der anderen Seite irreversible wirtschaftlichen Folgen drohen würden, vermochte das Gericht nicht zu überzeugen.
„In Anbetracht des erheblichen Gewichts dieser zu schützenden Belange und der großen Zahl der potentiell betroffenen Gewinnspielteilnehmer könnte das Interesse der veranstaltenden Medienunternehmen an einer vorläufigen Aussetzung des Vollzugs der Satzungsbestimmungen nur überwiegen, wenn deren weitere Anwendung bis zur Hauptsacheentscheidung mit hoher Wahrscheinlichkeit besonders gravierende und irreversible Folgen für den Sendebetrieb der betroffenen Unternehmen hätte. Davon kann aber selbst im Falle der Antragstellerin, deren unternehmerisches Konzept weitgehend auf der Veranstaltung von Gewinnspielsendungen beruht, nach gegenwärtigem Stand keine Rede sein.”
Zweite Hypothese: Einstweilige Anordnung wird versagt – Hauptsache hat Erfolg
Der zweite im Rahmen der Doppelhypothese denkbare Fall wäre der, dass die einstweilige Anordnung nicht erlassen werden würde, die Normenkontrolle später aber Erfolg hätte. Dann wäre 9Live zunächst bis zum Abschluss der Hauptsache weiterhin von Einnahmeverlusten bedroht. Diese wären auch nicht mehr rückgängig zu machen. Allerdings überzeugten diese womöglich drohenden irreversiblen wirtschaftliche Folgen die Richter auch an diesem Punkt nicht.
Fazit
Im Ergebnis haben die bayerischen Richter also dem spezifischen Teilnehmer- und Jugendschutz im Zweifel Vorrang gegenüber dem wirtschaftlichen Interesse des Call-In-Show-Senders eingeräumt. Denn ein wirtschaftlicher Nachteil für 9Live aufgrund der eventuell doch noch rechtswidrigen Gewinnspielsatzung konnte nach Ansicht der Richter nicht hinreichend begründet werden. Der Sender sei vielmehr in der Pflicht, in der Zwischenzeit Spielkonzepte zu entwickeln, die der derzeit geltenden Gewinnspielsatzung genügen und dennoch attraktiv sind.
Die Gewinnspielsatzung bleibt also bis auf weiteres auch für 9Live geltendes und anwendbares Recht. Der Münchener Gewinnspielsender hat unterdessen jedoch bekräftigt, das Hauptsacheverfahren weiter vorantreiben zu wollen.
Entscheidung des BayVGH v. 11.08.2009, Az. 7 NE 09.1378 (Volltext).
Hintergrund: Bußgeldverfahren gegen 9Live aufgrund der Gewinnspielsatzung.