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Außer Spesen nichts gewesen: Workshop zu Call-in-Shows

Ein Tagungsbericht von Simon Möller.

Die ersten Call-in-Shows, die in Deutschland auf Sendung gingen, starteten im Frühjahr 2001. Die Gewinnspielsatzung der Landesmedienanstalten, die diese Formate regulieren soll, trat am 27. Februar 2009 in Kraft – und damit 8 Jahre später, als es eigentlich nötig gewesen wäre. Der Workshop „Call-In Gewinnspiele“ (PDF), auf dem sich die Rundfunkszene über den Regulierungsbedarf bei Call-in-Shows austauschte, fand schließlich nun heute statt. Warum das alles so lange gedauert hat? Das war einer der Punkte, die auf diesem Workshop nicht diskutiert wurden.
Dabei wäre eine Diskussion über diesen Punkt dringend nötig gewesen. Warum musste erst so viel Zeit vergehen, bis eine der zuständigen Stellen Handlungsbedarf erkannte? Oder anders gefragt: Wie viele tausende (hunderttausende) Verbraucher mussten erst systematisch über ihre tatsächlichen Gewinnmöglichkeiten getäuscht werden, bevor der Gesetzgeber und die Landesmedienanstalten einsahen, dass sie hier eingreifen müssen? Es war ein Versagen an mehreren Stellen, das zu dieser Fehlentwicklung geführt hat. Es waren die Ministerpräsidenten der Länder, die sich der Forderung, den Rundfunkstaatsvertrag durch entsprechende Verbraucherschutzregelungen zu ergänzen, verweigerten. Und es waren die Landesmedienanstalten, die von den (vorhandenen) Möglichkeiten, den Täuschungspraktiken der Fernsehsender Einhalt zu gebieten, einfach keinen Gebrauch gemacht haben.

Proporz und Opportunismus

Der ganze Bereich der Rundfunkaufsicht ist von Proporz und politischem Opportunismus geprägt. Auf der Strecke bleiben dabei diejenigen, denen die Aufsicht eigentlich dienen sollte: Die Bürgerinnen und Bürger, die gleichzeitig auch die Verbraucherinnen und Verbraucher sind. Die wesentlichen rechtlichen Probleme zu Call-in-Shows sind mittlerweile behoben worden. Es gibt nun eine einheitliche, länderübergreifende Stelle zur Rundfunkaufsicht (die ZAK), es gibt den § 8a RStV und es gibt die Gewinnspielsatzung der Landesmedienanstalten. Und doch zeigte sich auf dem Workshop vor allem, dass das, was so lange schief gelaufen ist, noch immer schief läuft. Da war z.B. der Vertreter der Landesmedienanstalt NRW, der sich für unzuständig erklärte, Betrugsfällen in Call-in-Shows nachzugehen. Da war die Fachjournalistin, die meinte, mit der Gewinnspielsatzung sei das Transparenzproblem der Call-in-Shows im Wesentlichen gelöst. Da war der Geschäftsführer von 9Live, der trotz Einladung (und seiner folgenden Zusage) einfach nicht gekommen war (Erklärung des Veranstalters: „Die Gründe sind nachvollziehbar, wenn man sie kennt.“). Und da war schließlich der Direktor der Landesmedienanstalt NRW, Prof. Dr. Norbert Schneider, der sagte, man müsse „schauen, ob man nicht im Moment etwas zu viel reguliert“.

Die Gewinnspielsatzung ist in wesentlichen Punkten mangelhaft, auch das wurde auf dem Workshop klar. Da wäre vor allem, dass die Satzung unterschiedslos alle privaten Rundfunkanbieter reguliert – und damit auch die Radiosender, bei denen Missbrauchsfälle in der Vergangenheit wenig bis gar nicht vorgekommen sind, die aber dennoch nun hohe Hürden überwinden müssen, um überhaupt Gewinnspiele im Programm einbinden zu dürfen. Ein anderer Punkt, der immer wieder zur Sprache kam, war das „50 Cent-Problem“: Die Satzung reguliert unter anderem die Höhe der für die Verbraucher entstehenden Kosten (§ 8a Abs. 1 S. 6 RStV, § 13 Abs. 1 Nr. 2 Gewinnspielsatzung). Diese Kosten können jedoch variieren, abhängig davon, von welchem Gerät der Teilnehmer aus anruft – und das können die Rundfunkveranstalter nicht beeinflussen. Wie sollen sie dieses Dilemma lösen? Eine Antwort auf diese Frage gab es auf dem Workshop nicht zu hören – nur eine Menge reichlich wolkiger Ankündigungen, man werde das schon noch klären. Nur, auf wessen Kosten?

Für all diejenigen, die auf dem Workshop ein klares Bekenntnis der Aufsichtsbehörden zu ihrer Verantwortung erwartet hatten, war es ein enttäuschender Vormittag. Für diejenigen, denen die Verbraucherinteressen am Herzen liegen, ebenfalls. (Aber die Schnittchen, die waren gut.)

, Telemedicus v. 19.03.2009, https://tlmd.in/a/1216

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