Telemedicus

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Ausblick 2008

Im Jahr 2007 sind viele medienrechtliche Themen ins Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt. Dieser Trend setzt sich auch im neuen Jahr ungebremst fort. Das Jahr 2008 wird in dieser Hinsicht wahrscheinlich so interessant wie kein Jahr zuvor. Mit dem 2. Korb zum UrhG und der Vorratsdatenspeicherung stehen gleich zwei umwälzende Reformen an. Daneben werden auch viele kleinere Gesetze erwartet, ebenso einige Grundsatzurteile des BVerfG.

Telemedicus gibt einen Ausblick auf die wichtigsten anstehenden Änderungen:

• Der zweite Korb zum UrhG
• Das Gesetz zur besseren Rechtsdurchsetzung im Immaterialgüterrecht
• Der Rundfunkstaatsvertrag
• Die neue Fernsehrichtlinie
• Die UWG-Reform
• Das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung
• Das BKA-Gesetz
• Die TK-Märkteempfehlung der Europäischen Kommission
• Das MoMiG
• Grundsatzurteile zu Online-Durchsuchung, Vorratsdatenspeicherung und automatischen Kennzeichenerfassung
• Den Erbfall Springer vor dem OLG Hamburg
2. Korb zum UrhG

Die wohl wichtigste Reform für 2008 ist der „zweite Korb“ zum UrhG. Die Reform ist bereits mit dem 1. Januar in Kraft getreten und bringt einige grundlegende Änderungen ins Urheberrecht. So sollen Urheber zukünftig auch die Rechte an unbekannten Nutzungsarten abtreten können, der bisherige § 31 Abs. 4 UrhG fällt weg. In der Entstehungsgeschichte heiß umstritten war auch das neue System zu Pauschalabgaben der Gerätehersteller. Das neue Verfahren setzt nun auf die Kooperation von Geräteherstellern und Verwertern.

Eine kleine, aber nicht ganz unwichtige Änderung enthält auch die Regelung zur Privatkopie aus § 53 Abs. 1 UrhG: Hier wird klargestellt, dass Kopien über Filesharing-Netzwerke im Regelfall illegal sind.

Eine Synopse von alter und neuer Rechtslage stellt die Uni Bayreuth zur Verfügung.
Ausführlich zum zweiten Korb Prof. Hoeren, MMR 07, 615 ff. (pdf) (Vgl. aber die Korrektur im LBR-Blog).

Gesetz zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums

Das Gesetz dient hauptsächlich der Umsetzung der sog. „Enforcement-Richtlinie“. Es regelt verfahrensrechtliche Neuerungen im Bereich des im Immaterialgüterrechts, vor allem im Patentrecht. Das Gesetz stellt die (tatsächlichen oder behaupteten) Rechtsinhaber im Prozess insgesamt besser, unter anderem durch erweiterte Auskunftsansprüche gegen den Verletzer und eine erleichterte Vollstreckung.

Stark umstritten ist der neue § 97a Abs. 2 UrhG: Nach dieser Vorschrift sollen bei Abmahnungen die erstattungsfähigen Rechtsanwaltskosten auf 50 Euro gedeckelt werden. Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift ist allerdings sehr beschränkt und wird in vielen Bereichen die verbraucherfeindliche Abmahntätigkeit kaum bremsen. Als einziges größeres Anwendungsfeld bleiben nur die Aktivitäten der deutschen Musikindustrie im Umgang mit Filesharing. Es handelt sich somit quasi um eine „Lex Promedia“.

Ob der Entwurf in dieser Form verabschiedet werden wird, bzw. wann das der Fall sein wird, ist bisher noch nicht absehbar. Nach einiger Aktivität in der ersten Jahreshälfte 2007 ist der Entwurf in der Prioritätsliste wohl nach hinten gerutscht. Eine Verabschiedung des Gesetzes ist somit erst ab Mitte 2008 zu erwarten – zwei Jahre nach Ablauf der Umsetzungsfrist der Enforcement-Richtlinie.

Der Gesetzesentwurf in der aktuellen Fassung (pdf).

10. Rundfunkstaatsvertrag

Der 10. Rundfunkänderungsstaatsvertrag wird vor allem organisatorische Änderung bringen: Die Kommission zur Ermittlung von Konzentrationen im Medienbereich (KEK) wird umgebaut, neben die vorhandenen Aufsichtsgremien tritt die „Kommission für Zulassung und Aufsicht“ (ZAK). Die ZAK soll einen Großteil der Aufsichtstätigkeiten übernehmen, die bisher von den jeweiligen Landesmedienanstalten in Eigenregie durchgeführt wurden. Die Reform folgt damit dem Trend zur „Ländermedienanstalt“.
Wenig Änderungen wird der neue RStV im Bereich Telemedien beinhalten: Hier werden die Neuerungen, die der 9. RStV gebracht hatte, durchweg beibehalten. Die umfangreiche Kritik, die der damaligen Änderung folgte, bleibt also (vorerst) unbeachtet.
Der neue Staatsvertrag soll am 1. September 2008 in Kraft treten.

Telemedicus zu den Details der Reform.
Holger Wenk kritisiert den aktuellen Entwurf.

Neue Fernsehrichtlinie

Für einige Neuerungen im Rundfunk- und Medienrecht dürfte auch die „Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste“ sorgen, die das Europäische Parlament November 2007 erlassen hat. Während die alte Fernsehrichtlinie bisher nur für Rundfunk im herkömmlichen Sinn galt, bezieht die neue Richtlinie ausdrücklich auch nichtlineares Internet-TV mit ein. Dabei gilt ein System der abgestuften Regelungsintensität: Internetfernsehen unterfällt geringeren Vorgaben als herkömmlicher Rundfunk.
Viel diskutiert wurde über die Werbevorschriften der Richtlinie, insbesondere Product Placement. Die Richtlinie erlaubt nun diese besondere Werbeform, lässt den Mitgliedsstaaten jedoch die Möglichkeit, sie selbstständig zu verbieten. Die gesetzgeberisch zuständigen Bundesländer haben bereits angekündigt, diese Möglichkeit zu nutzen.
Die Umsetzung der Richtlinie soll in einem neuen – elften – Rundfunkänderungsstaatsvertrag erfolgen, der für Anfang 2009 erwartet wird.

Der Volltext der Richtlinie (pdf).

UWG-Reform

Das UWG wird wahrscheinlich im Jahr 2008 reformiert werden. Dies geschieht zur Umsetzung der „Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken“. Bisher liegt zu dieser Gesetzesänderung jedoch nur ein Referentenentwurf vor – und das, obwohl die Umsetzungsfrist bereits 2007 ablief. Hier ist die Richtlinie daher unter Umständen unmittelbar anzuwenden.
Das neue UWG wird vermutlich den aktuellen Aufbau beibehalten, dabei aber etwas umfangreicher werden, insbesondere durch neue Beispiele für „unlauteren Wettbewerb“. Tiefgreifende Änderungen gegenüber der alten Rechtslage wird das neue UWG jedoch wohl nicht beinhalten.

Telemedicus hat die wichtigsten Punkte zusammengefasst.

Vorratsdatenspeicherung

Bis zum letzten Tag umstritten war das Gesetz zur TK-Überwachung und Vorratsdatenspeicherung. Das Gesetz schreibt vor, dass Telekommunikationsdienstleister die Kommunikationsdaten ihrer Kunden speichern, um diese gegebenenfalls an die staatlichen Stellen weiterzugeben. Das Gesetz führt zu einem grundlegenden Paradigmenwechsel im Datenschutzrecht, denn es löst sich vom grundrechtlich vorgegeben Grundsatz der Datensparsamkeit. Das Gesetz ist in den wesentlichen Teilen bereits am 1. Januar 2008 in Kraft getreten, nur für Internet-Provider gilt nach § 150 Abs. 2b TKG eine Übergangsfrist bis zum 1. Januar 2009.
Das Gesetz wird von weiten Teilen der damit befassten Juristen für verfassungswidrig gehalten. Weil es aber der Umsetzung einer EU-Richtlinie dient, ist Rechtsschutz in diesem Fall eigentlich nur vom EuGH zu erwarten. Hier ist schon länger eine Klage der Republik Irland gegen die entsprechende Richtlinie anhängig. Wie der weitere Rechtsstreit verlaufen wird, bleibt abzuwarten.

Umfangreiche Informationen stellt der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung zur Verfügung.

BKA-Gesetz

In Bürgerrechte eingreifen soll auch das neue BKA-Gesetz. In seiner alten Form regelte das Gesetz fast ausschließlich die Organisation des Bundeskriminalamts, nach der neuen Version erhält die Behörde sehr weitreichende Befugnisse zur Abwehr terroristischer Gefahren; insbesondere das Recht auf die Online-Durchsuchung.
Das Gesetz ist in der aktuellen Entwurfsversion umstritten, insbesondere in der SPD. Die Bundestagsfraktionen von SPD und CDU/CSU haben daher angekündigt, das Vorhaben erst weiterzuverfolgen, nachdem das BVerfG über die generelle Zulässigkeit von Online-Durchsuchungen entschieden hat.

Der Entwurf beim Chaos Computer Club.

TK-Märkteempfehlung der EU-Kommission

Bereits am 18. Dezember ´07 wurde die neue Telekommunikations-Märkteempfehlung der Europäischen Kommission veröffentlicht. Der Effekt wird sich im Verlauf des Jahres 2008 zeigen: Entsprechend den Empfehlungen der Kommission wird die Bundesnetzagentur ihre Regulierungstätigkeit neu ausrichten (§ 10 TKG).
Die neue Märktempfehlung reduziert die Zahl der regulierungsbedürftigen Märkte von achtzehn auf sieben. Die zuständige Kommissarin Viviane Reding rühmte sich deswegen des Bürokratieabbaus – unabhängige Experten halten das jedoch für falsch.

Weitere Informationen auf Tkrecht.de.

MoMiG

Nicht ganz ohne Relevanz im Medienrecht wird auch das „MoMiG“ sein, das Gesetz zu Modernisierung des GmbH-Rechts. Einer der Schwerpunkte des Gesetzes ist die Erleichterung von Existenzgründungen: Nach Inkrafttreten können Startups auch ohne Startkapital als haftungsbeschränktes Unternehmen gegründet werden. Die Gesellschaftsform heißt dann „haftungsbeschränkte Unternehmergesellschaft“ und wird wahrscheinlich die Gesellschaftsform der britischen „Limited“, die lange Zeit auch das deutsche Gründerbusiness dominiert hatte, verdrängen. Das MoMiG wird aktuell im Rechtsausschuss des Bundestags verhandelt. Mit Inkrafttreten ist für Mitte 2008 zu rechnen.

Zu den weiteren Einzelheiten die Zusammenfassung bei Prof. Möllers (Uni Augsburg).

Urteile

Bei vielen der genannten Gesetzesentwürfe hängt das Inkrafttreten noch davon ab, welche Maßstäbe das BVerfG in seinen zukünftigen Entscheidungen aufstellt. Das Gericht wird in den nächsten Monaten einige Grundsatzurteile fällen, unter anderem über die Online-Durchsuchung, die Verwertung der Daten aus den Autobahn-Mautstellen und über die Vorratsdatenspeicherung. Auch ein neues Caroline-Urteil steht bevor, in dem das Gericht vermutlich versuchen wird, seine Rechtsprechungslinie der des BGH und des EGMR anzugleichen.

Beck Online zu den anstehenden Gerichtsurteilen.

Ein anderes Urteil, dass die deutsche Medienlandschaft ebenfalls grundlegend verändern könnte, wird im Erbrecht gesprochen: Das OLG Hamburg entscheidet über die Erbschaft von Friede Springer. Friede Springer hatte im Jahr 1985 nach dem Tod ihres Ehemanns die Mehrheit der Anteile am Axel Springer Verlag erlangt. Ihr Enkel Axel Sven Springer sieht sich dadurch um sein Erbe betrogen und geht nun vor Gericht. Wenn er vor dem OLG Hamburg obsiegt, verliert Friede Springer einen Großteil ihrer Macht im Springer-Verlag – und der zuletzt umstrittene Springer-Chef Mathias Döpfner seine wichtigste Fürsprecherin im Unternehmen.

Medien Mittweida erklärt den Fall ausführlich.

Fazit

Insgesamt zeigt sich als Grundtendenz, dass in der Gesetzgebung derzeit wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Interessen gegenüber den Bürgerrechten Vorrang eingeräumt wird. Nicht selten stößt die große Koalition dabei an die Grenzen des Grundgesetzes. Es liegt nun am Bundesverfassungsgericht, hier Grenzen zu setzen.

Welche Änderungen für 2008 sind noch absehbar? Ergänzungen nehmen wir in den Kommentaren gerne an.

, Telemedicus v. 03.01.2008, https://tlmd.in/a/581

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