Auf den Münchner Medientagen hat der Springer-Manager Christoph Keese einen hochinteressanten Vorschlag gemacht. Er spricht von „Public Domain“-Medien:
Zurzeit bezahlen die Verleger für Filme, die sie von ARD und ZDF übernehmen. Die Wochenzeitung „Die Zeit“ kauft beim ZDF, die WAZ-Gruppe kauft beim Westdeutschen Rundfunk drei bis fünf Filme pro Tag für ihr Nachrichtenportal „Der Westen“. Die einzelnen Beiträge seien „deutlich billiger“ als die kolportierten 90 Euro, sagte WAZ-Mann Rüdiger Oppers. Für Christoph Keese, Konzerngeschäftsführer Public Affairs beim Axel-Springer-Konzern, ist auch dieser Preis offensichtlich zu hoch. Er will die öffentlich-rechtlichen Videos umsonst. „Public domain“, so der Titel des Zukunftsmodells. Übersetzt heißt der Name Gemeinfreiheit, also die Aufgabe des Urheberrechtsschutzes für öffentlich-rechtliche Inhalte.
Auf den ersten Blick erscheint Keeses Gedankengang nur als ein Kommentar zu der Tatsache, dass die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender ihre Eigenproduktionen derzeit nur gegen teure Lizenzgebühren verkaufen. Auf den zweiten Blick könnte er aber auch der Schlüssel zur Neudefinition des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sein.
Die bestehende duale Rundfunkordnung entstand 1950 vor dem Hintergrund enger Frequenzräume und hoher Produktionskosten: Sowohl technisch als auch wirtschaftlich waren nur 2 bis 3 Fernsehprogramme machbar. Die Situation heute ist fundamental anders, ein typischer Fernsehrezipient hat Zugang zu mehr als 50 Kanälen, selbst kleinste Interessengruppen werden mit eigenen 24h-Spartenkanälen versorgt. Vor diesem Hintergrund drängt sich der Gedanke auf, man könnte den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nun abschaffen.
Ich denke aber, dass dieser Gedanke zu kurz greift. Denn mit dem Wegfall der Frequenzknappheit und den sinkenden Produktionskosten ist nur ein Flaschenhals weggefallen. Ein anderer bleibt bestehen: Die wirtschaftlichen Zwänge, die Privatsender dazu bringen, immer weniger hochwertiges Material herzustellen und statt dessen auf billige Methoden zur Content-Generierung auszuweichen. Wo politische Diskussionsrunden, hochwertige Nachrichten oder gesellschaftskritische Magazinsendungen laufen sollten, da sendet der private Rundfunk lieber Talkshows, Reality-TV, eingekaufte US-Serien. In Deutschland gibt es nur ein einziges Vollprogramm mit hochwertigem Nachrichtenangebot: RTL. Davon abgesehen erfüllen diese Aufgaben immer noch ARD und ZDF.
Es ist wohl politischer Konsens, dass Deutschland auf solche hochwertigen Fernsehinhalte nicht verzichten kann. Verzichten kann es aber auf etwas anderes: die Bündelung dieser Inhalte in eigenen Kanälen. Wo liegt eigentlich der Bereich, in dem der Markt versagt? Nicht bei der Distribution, sondern in der Produktion von Content. Hier kann und soll der Staat weiterhin eingreifen.
Hier kommt der Gedankengang von Christoph Keese ins Spiel: Die Öffentlich-Rechtlichen könnten von Content-Distributoren zu Content-Produzenten werden. Sie produzieren hochwertige Inhalte, senden diese aber nicht mehr. Statt dessen stellen sie sie dem Markt zu Preisen zur Verfügung, zu der sich die Verbreitung wieder lohnt – auch für Privatsender. Elegant ist dabei die Lösung, die Finanzierung allein über die Rundfunkgebühren zu gewährleisten und auf Lizenzgebühren komplett zu verzichten. Statt dessen käme ein offenes Lizenzmodell zum Einsatz, beispielsweise Creative Commons. Aus dem so entstandenen Content-Topf können sich dann die privaten Rundfunksender (und auch die Mikromedien wie Blogs und Podcasts) bedienen und damit ihre Programme ergänzen oder sogar komplett bestreiten.
Focus zur Diskussion auf den Münchner Medientagen.
EPD Medien zu den Kooperationen von privaten Online-Medien und öffentlich-rechtlichem Fernsehen.