Telemedicus

, von

Antworten der Bundesregierung zum Abmahnmissbrauch

Ende April hat die SPD-Fraktion eine „Kleine Anfrage” an die Bundesregierung wegen des häufigen Missbrauchs des Instruments der Abmahnung im Online-Handel gestellt. Die SPD-Fraktion ist der Ansicht, dass gerade kleine und junge Unternehmen wegen des Abmahnmissbrauchs erhebliche Schwierigkeiten im Online-Handel haben. Nun liegt die Antwort der Bundesregierung vor.
In der Vorbemerkung zu den Antworten betont die Bundesregierung, dass der Onlinehandel ihrer Ansicht nach ein „wichtiger Wirtschaftsfaktor und für die Angebotsvielfalt für die Verbraucher von hoher Bedeutung ist”. Allerdings ist die Bundesregierung der Meinung, dass ein Sonderrecht für den Online-Handel nicht notwendig ist, da viele Online-Händler auch im stationären Handel tätig seien. In der Folge müssten die Händler unterschiedliche Regeln beachten, was nach Ansicht der Bundesregierung nicht sachgerecht ist.

Im Folgenden die Antworten der Bundesregierung auf die „Kleine Anfrage”:

1. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die durchschnittliche Anzahl von Abmahnungen sowie die finanziellen Folgen für die einzelnen Unternehmer im Online-Handel, die durch die hier als Abmahnmissbrauch beschriebene Praxis verursacht werden?

„Der Bundesregierung liegen keine Untersuchungen vor, aus denen sich verlässliche Angaben über die Zahl missbräuchlicher Abmahnungen bzw. der dadurch verursachten finanziellen Folgen ergeben.”

2. Aufgrund welcher Verstöße werden nach Erkenntnis der Bundesregierung die Unternehmen abgemahnt?

„Besonders häufig sind Verstöße gegen Impressumspflichten nach § 5 des Telemediengesetzes (TMG), Verstöße gegen die Verordnung über Informations- und Nachweispflichten nach bürgerlichem Recht (BGB-InfoV), Verstöße gegen Vorschriften über Allgemeine Geschäftsbedingungen (§§305ff. BGB) und Verstöße gegen die Preisangabenverordnung (PAngV). Zu Abmahnungen auf Grund der Verletzung der Pflicht, Verbraucherinnen und Verbraucher im Fernabsatz über ihr Widerrufs- oder Rückgaberecht zu belehren und zu informieren, ist auf Folgendes hinzuweisen: Die bislang in der BGB-InfoV enthaltenen Muster für die Widerrufs- und für die Rückgabebelehrung werden durch das bereits verabschiedete Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdiensterichtlinie sowie zur Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht (BGBl.I2009,S.2355) in das Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche überführt und damit Gesetzesrang erhalten. Damit können Gerichte die Muster in Zukunft nicht mehr als den Vorgaben des Bürgerlichen Gesetzbuchs widersprechend ansehen, wodurch Abmahnungen in diesem Bereich zurückgehen dürften. Die Regelungen werden zum 11.Juni 2010 in Kraft treten.”

3. Welche Auswirkungen haben die abgemahnten Verstöße auf den Wettbewerb und auf die Durchsetzung von Verbraucherrechten?

„Durch Wettbewerbsverstöße kann es zu einer Verzerrung des Wettbewerbs kommen und Verbraucher können in ihren Rechten beeinträchtigt werden.”

4. Sieht die Bundesregierung alternative Möglichkeiten, die abgemahnten Wettbewerbsverstöße zu beseitigen?

„Nein. Die zivilrechtliche Verfolgung von Wettbewerbsverstößen in Form der Abmahnung hat sich in Deutschland als effektives Mittel zur Durchsetzung von Rechten grundsätzlich bewährt.”

5. Welche Aufgaben haben aus Sicht der Bundesregierung die Betreiber von virtuellen Marktplätzen an der Bekämpfung von Wettbewerbsverstößen?

„Sie können Wettbewerbsverstöße von Mitbewerbern, die den lauteren Wettbewerb und Verbraucherrechte beeinträchtigen, abmahnen.”

6. Plant die Bundesregierung zur Lösung dieser Problematik gesetzgeberisch tätig zu werden, und wenn ja, wie sieht der Zeitplan der Bundesregierung aus?

7. Welche konkreten Gesetzesvorschläge gibt es bzw. sind in Planung (etwa Ausweitung der Deckelung des Ersatzes der erstattungsfähigen Abmahnkosten bei erstmaligem Verstoß auf das Wettbewerbsrecht; Senkung des Streitwerts bei Erstabmahnungen; Begrenzung des Kreises der Abmahnberechtigten)?

„Die Fragen 6 und 7 werden zusammen beantwortet. Es wird derzeit sorgfältig und intensiv geprüft, ob und gegebenenfalls welche gesetzgeberischen Maßnahmen ergriffen werden sollen. Daher gibt es derzeit noch keine konkreten Gesetzgebungsvorschläge oder Planungen.”

8. Plant die Bundesregierung eine auf einzelne Gesetze, etwa das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, beschränkte Lösung oder schwebt ihr eine allgemeine Lösung vor (die z. B. auch den Bereich geistiger und gewerblicher Schutzrechte umfasst)?

„Die Prüfung der Bundesregierung beschränkt sich derzeit auf den Bereich des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG).”

9. Gibt es schon erste Ergebnisse der Überlegungen des Bundesministeriums der Justiz, das sich schon in der letzten Legislaturperiode mit dem Abmahnmissbrauch beschäftigt hat, und wie lauten diese?

„Siehe Frage 6 und 7.”

10. Gibt es Überlegungen, den „fliegenden Gerichtsstand“ einzuschränken? Sieht die Bundesregierung in einer Abschaffung des fliegenden Gerichtstands zumindest auch eine Möglichkeit zur Entschärfung des Abmahnmissbrauchs, indem der Abmahnende sich nicht mehr ein Gericht aussuchen kann, das die ihm günstige Rechtsauffassung teilt?

„Die Einschränkung des „fliegenden Gerichtsstands“ für den Bereich des UWG ist eine der Möglichkeiten, die von der Bundesregierung derzeit geprüft werden.”

11. Wie sehen die ersten Erfahrungen mit dem neuen § 97a des Urheberrechtsgesetzes aus, der in bestimmten Fällen die ersatzfähigen Aufwendungen auf 100 Euro beschränkt? Inwieweit haben sich die Begriffe „erstmalige Abmahnung“, „einfach gelagerte Fälle“ und „unerhebliche Rechtsverletzung“ dieser Norm in der Praxis nach Auffassung der Bundesregierung bewährt?

„Die Regelung berücksichtigt in vertretbarer Weise die Interessen der Rechtsinhaber und der Verbraucher. Zwar zeigen erste Urteile, dass einzelne Tatbestandsmerkmale von den erstinstanzlichen Gerichten unterschiedlich ausgelegt werden. Eine Vereinheitlichung wird jedoch – wie stets – durch die höchstinstanzliche Rechtsprechung herbeigeführt werden.”

12. Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass eine Bekämpfung des Abmahnmissbrauchs auf EU-Ebene erfolgen muss? Ist der Abmahnmissbrauch bisher Gegenstand der Verhandlungen über eine EU-Verbraucherrechterichtlinie gewesen? Wenn ja, wie hat sich die Bundesregierung hierzu positioniert? Wenn nein, plant die Bundesregierung diesbezügliche Initiativen und ggf. welche?

„Die Bundesregierung sieht derzeit keinen Bedarf nach einer Regelung auf EU-Ebene, da die zivilrechtliche Verfolgung von Wettbewerbsverstößen durch Abmahnungen in den anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union außer in Österreich nicht vorgesehen ist. Bei den Verhandlungen für eine EU-Verbraucherrechterichtlinie hat das Thema Abmahnung und Abmahnmissbrauch bisher keine Rolle gespielt. Der Vorschlag der Kommission für diese Richtlinie sieht in Artikel 41 eine Pflicht der Mitgliedstaaten vor, dafür zu sorgen, dass angemessene und wirksame Mittelvorhanden sind, mit denen die Einhaltung der Richtlinie sichergestellt wird. Dies soll Rechtsvorschriften einschließen, nach denen öffentliche Einrichtungen, Verbraucherverbände und Berufsverbände die Gerichte oder die zuständigen Verwaltungsbehörden anrufen können, um die Anwendung der innerstaatlichen Vorschriften zur Umsetzung der Richtlinie sicherzustellen. Hinsichtlich der Frage, wie sie die Einhaltung der Richtlinie sicherstellen, wird den Mitgliedstaaten mit dieser Vorschrift ein weiter Gestaltungsspielraum eingeräumt. Sie können danach Regelungen über die Abmahnung und zur Vermeidung von Abmahnmissbrauch eigenständig treffen. Ein Bedürfnis, den Richtlinienvorschlag um Regelungen zum Abmahnmissbrauch zu ergänzen, besteht daher nicht.”

Fazit

Die Antworten der Bundesregierung fördern keinen neuen Erkenntnisse zu Tage. Die Abmahngründe kennt man zur Genüge aus den Fällen der Instanzrechtsprechung.

Leider scheint man in der Bundesregierung auch noch nicht bereit zu sein, das Dickicht der Informationspflichten lichten und konzentrieren zu wollen. Die zahlreichen Informationspflichten werden weiterhin über die unterschiedlichsten Gesetze und Verordnungen verteilt sein. Ein erster Schritt ist die Verlagerung der Regelungen der BGB-InfoV in das EGBGB ab dem 11. Juni 2010. Das wird zu mehr Rechtssicherheit führen. Der große Wurf ist es hingegen nicht.

Zur „Kleinen Anfrage” der SPD (PDF)

Die Antworten der Bundesregierung (PDF).

, Telemedicus v. 19.05.2010, https://tlmd.in/a/1759

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Newsletter

In Kooperation mit

Kommunikation & Recht

Hosting

Domainfactory