Erst wenige Stunden waren seit dem Amoklauf von Lörrach vergangen, da stand gestern Abend bereits der zuständige Staatsanwalt vor den Kameras und wusste erste Details von der Tat zu berichten. Fast im Stundentakt erfolgten die Updates, sodass bereits heute Morgen alle wissenswerten Einzelheiten bekannt gegeben werden konnten: Alter, Beruf, Familienstand, Bewaffnung, der wahrscheinliche Geschehensablauf und die Verbindung zu den Opfern. Wo sind die Konsequenzen aus den breiten Diskussionen über die Berichterstattung bei Amokläufen der letzten Jahre?
„Medienberichte dürfen nicht zu weiteren Opfern führen”
Vor fast genau einem Jahr hatte der Deutsche Presserat „Experten aus der Wissenschaft” geladen, um die Folgen der Berichterstattung bei Amokläufen zu diskutieren. „Medienberichte dürfen nicht zu weiteren Opfern führen” war damals das Credo. Die überwiegende Meinung der Experten: Bei der Berichterstattung muss Zurückhaltung herrschen. Wenig Details über Täter und Tat, keine Sensationsmache.
Zugegeben: Man könnte es als Fortschritt bezeichnen, dass diesmal wenigstens kein Journalist live vom Ort des Geschehens getwittert hat. Auch Name und Foto der Täterin sind bislang noch nicht veröffentlicht. Ob das aber wirklich an der Zurückhaltung der Medien liegt, oder daran, dass diese Informationen einfach noch nicht durchgesickert sind, werden die nächsten Stunden und Tage zeigen.
Die Staatsanwaltschaft als Erfüllungsgehilfe der Medien?
Wirklich erschreckend ist jedoch, dass ausgerechnet die Staatsanwaltschaft als schnellste und zuverlässigste Quelle für die Details des Geschehens Spalier steht. Hat ein Oberstaatsanwalt in einer solchen Situation nicht Besseres zu tun, als so schnell und oft wie möglich Interviews zu geben? Sollten nicht gerade die Ermittlungsbehörden so kurz nach der Tat zurückhaltend mit Einzelheiten sein? Dass Medien reflexartig das Informationsinteresse der Öffentlichkeit befriedigen wollen ist nachvollziehbar – und in gewisser Weise ja auch ihre Aufgabe. Die Staatsanwaltschaft ist aber nicht Erfüllungsgehilfe der Medien. Es ist nicht ihre Aufgabe, die Öffentlichkeit so schnell wie möglich mit Informationen zu versorgen, sondern die Tat so umfassend wie möglich aufzuklären und – wenn nötig – die erforderlichen juristischen Schritte einzuleiten.
Wenn man von den Medien Zurückhaltung bei Berichten über Amokläufe fordert, muss das jedenfalls erst recht für die beteiligten Behörden gelten.
Interessante Diskussion im Beck Blog über ein „Amokveröffentlichungsgesetz”.
Legal Tribune zur Öffentlichkeitsarbeit der Staatsanwaltschaften.