Der ehemaligen „First Lady“ Bettina Wulff und ihrem Buch „Jenseits des Protokolls“ ist es gelungen, erstmals bei Amazon einen Shitstorm zu entfachen. Über 1000 meist negative Rezensionen fegten innerhalb weniger Tage über Buch und Person hinweg – Tendenz steigend. Das ist ein Novum, zumal die Rezensionsfunktion beim Internetriesen eigentlich nur den Zweck erfüllen soll, gelesene Bücher für andere Kunden zu bewerten.
Bettina Wulff plante den Befreiungsschlag – und legte eine Bruchlandung hin. Gab es bis vor kurzem noch Sympathien mit ihr wegen der langjährigen, offenbar haltlosen Verleumdungskampagnen aus dem Hannoveraner Umfeld und den Eskapaden ihres Mannes, hat sie nunmehr binnen kürzester Zeit allen Kredit in der öffentlichen Wahrnehmung verspielt.
Sie fordert Mitleid für sich ein und gibt anderen, insbesondere auch ihrem Mann, Schuld an ihrer Situation. Dieses „Fingerzeigen“ wird ihr nun zum Verhängnis und führt zum Sturm der Entrüstung über sie im Netz. Es ist nicht weniger als ein kommunikatives Desaster von jemandem, der kurz davor stehen soll, eine eigene PR- und Kommunikationsagentur zu gründen.
Die Rezensenten auf Amazon müssen aufpassen, sich im Rahmen der Meinungsfreiheit zu bewegen und nicht in Beleidigungen, üble Nachrede oder Schmähkritik abzudriften. Ansonsten kann es durchaus passieren, juristisch von Bettina Wulff in Anspruch genommen zu werden, etwa in Form einer Strafanzeige und in der Durchsetzung von Unterlassungs- und schlimmstenfalls Schadensersatzansprüchen.
Amazon selbst haftet für die Äußerungen der Rezensenten mindestens nach den allgemeinen Grundsätzen über die Störerhaftung, kann also für einzelne Äußerungen der Kommentatoren kostenpflichtig auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Insoweit darf man davon ausgehen, dass Amazon die abgegebenen „Rezensionen“ streng auf rechtswidrigen Inhalt hin überprüfen wird.
Nach den Regeln des Streisand-Effektes wäre es für Frau Wulff strategisch zudem äußerst unklug, an dieser Stelle eine neue juristische Baustelle zu eröffnen. Aber das mag sie und ihre Berater möglicherweise nicht davon abhalten. Bekanntermaßen wird sie von der gleichen Kanzlei vertreten, die auch für ihren Mann und jüngst für Papst Benedikt die „Kastanien aus dem Feuer“ holen sollte. Der Erfolg dieser Strategien hielt sich in äußerst überschaubaren Grenzen.
Der Journalist und Blogger Sascha Lobo erklärte bereits vor längerer Zeit die einzige Möglichkeit, mit einem Shitstorm umzugehen: Aussitzen und sachlich bleiben war sein Fazit. Diese Grundsätze dürften auch für Bettina Wulff und den ersten bekannten „Amazon-Rezensions-Shitstorm“ gelten. Sachlichkeit war bislang jedoch genau das, woran es Frau Wulff gemangelt hat und was den Shitstorm bei Amazon erst zum Leben erweckt hat. Schadensbegrenzung ist für Bettina Wulff also insgesamt noch möglich – sofern sie das überhaupt will und künftig auch danach handelt.
Zu den Amazon-Rezensionen über „Jenseits des Protokolls“.
Telemedicus-Artikel zum „Streisand-Effekt“.
Vortrag von Sascha Lobo „How to survive a shitstorm“.