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Alles nur Show? Meinungen zum Datenschutzgipfel

Auf Einladung des Bundesinnenministers haben sich am Donnerstag Regierungspolitiker, Bundes- und Landesdatenschutzbeauftragte zu einem Datenschutzgipfel getroffen. Anlässlich der aktuellen Skandale um illegale Weitergaben von Kundendaten wurde eine Änderung des BDSG beschlossen.
Zukünftig sollen Unternehmen die Adressdaten ihrer Kunden nur dann zu Werbezwecken verwenden und weitergeben dürfen, wenn diese das ausdrücklich erlaubt haben (sog. opt-in-Prinzip).

Des Weiteren konnten sich die Politiker auf höhere Bußgelder bei Verstößen gegen Datenschutzbestimmungen, die Einrichtung einer neuen Arbeitsgruppe und die schnelle Verabschiedung eines Datenschutz-Audit-Gesetzes einigen; dieses soll Unternehmen erlauben, bei bestimmten Selbstverpflichtungen mit einem Datenschutz-Siegel zu werben. Außerdem soll es bald ein Koppelungsverbot bei Vertragsabschlüssen geben: Die Einwilligung in die übermäßige Nutzung von Daten darf danach nicht zur Bedingung für das Zustandekommen von Verträgen gemacht werden können.

Auf Netzpolitik.org sind die Ergebnisse, aber auch die Versäumnisse des Gipfels zusammengefasst: Hier wird zum Beispiel moniert, dass eine Kennzeichnungs- und Verschlüsselungspflicht für Daten nicht hinreichend diskutiert wurde. Im „Freitag“ kritisiert Rolf Gössner, dass lediglich der nicht-öffentliche Bereich Thema des Gipfels war – wo sich doch gerade der Staat in den letzten Jahren als größter Datensammler profiliert hat. Vor allem der Bundesinnenminister habe im Namen des Anti-Terror-Kampfes eine Vielzahl von Überwachungsgesetzen auf den Weg gebracht:

„Wer wundert sich angesichts dieser Art von Sicherheitspolitik, dass auch im Wirtschaftssektor Sammelwut und Kontrollmentalität immer stärker um sich greifen. Da appellieren an Ethik und Gesetzestreue der Unternehmer ausgerechnet jene Sicherheitspolitiker, denen Unrechts- und Datenschutzbewusstsein längst abhanden gekommen ist und die sich im Kampf gegen den Terror kaum noch an die Verfassung halten – die vielen Gesetze, die in letzter Zeit vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt werden mussten, sind dafür Beleg. Illegales Handeln und massenhafter Missbrauch sind keinesfalls nur in der Privatwirtschaft vorzufinden.“

Dieses Problem sieht auch Heinrich Wefing in der ZEIT und fasst das Paradoxon so zusammen:

„Denn das ist ja das Vertrackte – und Interessante – der neuen Situation: Nur der Staat, der selbst unablässig Daten zusammenrafft und dabei nicht selten übertreibt, kann die Informationsjäger der Wirtschaft in die Schranken weisen. Sich zu dieser schwierigen Doppelrolle zu bekennen wäre ein wichtiger erster Schritt des »Datengipfels« (…).“

Da überrascht es nicht, dass man fast überall von dem Gipfel enttäuscht ist: Alle sind sich einig, dass Themen wie der illegale Adresshandel endlich diskutiert und Lösungen dafür gefunden werden müsen; die Schritte, die nun beschlossen worden sind, halten aber viele für zu klein und halbherzig – erforderlich sei eine grundlegende Debatte um Datenvermeidung und –sparsamkeit. Entsprechend äußerte sich der Professor für Datenschutz an der Universität Frankfurt Spiros Simitis schon im Vorfeld des Gipfels:

„Wer intervenieren muss, und zwar nachdrücklich und fordernd, ist das Parlament. Der Bundestag muss verlangen, dass Korrekturen geschehen. Der Bundestag kann von sich aus Vorgaben machen und er kann auch an diesen Vorgaben messen, was immer das Bundesinnenministerium oder wer sonst vorlegt. Wir brauchen eine parlamentarische Initiative die sagt, der Datenschutz ist an einem Punkt angekommen, wo er von Grund auf reformiert werden muss, weil er ansonsten nichts mehr bringt.“

Padeluun vom Foebud überrascht hingegen mit der originellen Forderung nach mehr „Datenhöflichkeit“. In einem Interview mit Netzpolitik.org setzt er sich dafür ein, dass beispielsweise:

„…Menschen ganz selbstverständlich in der Kinderstube mitbekommen, dass wenn Papa das Passwort eingibt am Rechner, dass man dann wegschaut.“

, Telemedicus v. 08.09.2008, https://tlmd.in/a/962

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