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Adblocker: Verlage blocken zurück

Das Thema Adblocker ist im Netz zurzeit wieder präsent wie nie und sorgt für neue Diskussionen, welche für einige Beteiligten zuweilen auch juristische Konsequenzen haben. Momentan sorgen die großen Verlagshäuser Axel Springer und Gruner+Jahr für Aufsehen. Diese beginnen damit, Nutzer von Adblockern von ihren kostenfreien und werbefinanzierten Angeboten auszusperren. Hiergegen wehren sich wiederum bereits die ersten Nutzer und umgehen die Anti-Werbeblocker. Die Debatte um den Einsatz von Adblockern im Internet ist damit erneut entbrannt und hat eine neue Eskalationsstufe erreicht. Bei dem andauernden Katz-und-Maus-Spiel, welches sich derzeit vorwiegend auf die technische Ebene verlagert hat, sind allerdings schon die ersten neuen juristischen Scharmützel bekannt.

Verlage wehren sich weiter

Nach der letzten klaren Niederlage beim Landgericht Köln im Kampf gegen den populären Werbeblocker Adblock Plus, geben sich die Publisher offenbar noch nicht geschlagen. Neben den bereits in Aussicht gestellten weiteren juristischen Schritten, blocken die Verlage nunmehr selbst zurück. Nach bild.de (Axel Springer), folgt nun mit geo.de (Gruner+Jahr) das zweite Online-Angebot, welches Besuchern mit aktivierten Adblocker den Zugang zu Inhalten der eigenen Plattform verwehrt. Auch andere Verlage wollen offenbar nachziehen und prüfen etwaige Schritte.

Das Vorgehen ist zwar in diesem Ausmaß in Deutschland relativ neu, aber nicht überraschend (siehe „Das Imperium blockt zurück“). Ferner ist hierin klar der Versuch zu erkennen, eine ausdrückliche Nutzungsordnung zu etablieren, wonach ein Abrufen der Inhalte ohne die Anzeige der implementierten Werbeelemente nicht mehr kostenlos ermöglicht werden soll. Dass eine Umgehung dieser Werbeblocker-Blocker nicht geduldet wird, machte sodann Bild deutlich und statuierte jüngst ein Exempel.

Bild mahnt ab und erwirkt einstweilige Anordnung

Bild hat einem Bericht von Golem zufolge erst vor kurzem eine Privatperson abgemahnt, welche in einem Tutorial-Video auf Youtube erklärte, wie die Werbeblocker-Sperre durch entsprechende Filtereinstellungen im Adblocker umgangen werden kann. Zudem hat Springer laut Presseberichten bereits erfolgreich eine einstweilige Anordnung beim LG Hamburg (Aktenzeichen 308 O 357 / 15) gegen Eyeo, den Betreiber hinter Adblock Plus, erwirkt.

Die Abmahnung wird dabei auf § 95a UrhG gestützt. Der Vorwurf: Durch die Videoanleitung würde eine verbotene Handlung nach § 95a Abs. 3 Nr. 3 UrhG verwirklicht, welche die Umgehung einer wirksamen technischen Maßnahmen zum Schutz eines Urheber- bzw. Leistungsschutzrecht gem. § 95a Abs. 2 UrhG ermöglicht.

Im ersten Moment mutet diese Argumentation abenteuerlich an, wer aber die Urteilsbegründung des LG München (Adblock Plus Verfahren) liest, stolpert über folgende Passagen:

Eine der normalen Auswertung zuwiderlaufende Nutzungshandlung i.S.v. § 87 b I 2 Alt. 1 UrhG kann dennoch bereits deshalb nicht angenommen werden, weil die Klägerin diese Nutzer nicht an dem ihrer Ansicht nach urheberrechtsverletzenden Verhalten hindert. Dies wäre ihr – durch Aussperrung der Nutzer – möglich.
(…)
Die Tatsache, dass die Klägerin lediglich „unverbindlich“ in einem Footer und in den – nicht mit den Nutzern tatsächlich vereinbarten – Nutzungsbedingungen darauf hinweist, dass der Besuch der Webseite mit eingeschaltetem Werbeblocker nicht erwünscht sei oder die Veränderung der Webseite zu unterbleiben habe, ändert nichts daran, dass der rein konsumierende einzelne Nutzer die Webseiten der Klägerin bestimmungsgemäß und im Rahmen der „Erlaubnis“ der Klägerin nutzt. Die Klägerin macht ihr Angebot weltweit ohne technische Beschränkungen öffentlich zugänglich und verzichtet auf jegliche Anmeldung, Registrierung oder Bezahlschranken. Die bloße Nutzung dieses Angebots mit der damit einhergehenden Vervielfältigung im Arbeitsspeicher ist daher – unabhängig von der anderslautenden Bitte der Klägerin auf ihren Webseiten – auch für Nutzer mit eingeschaltetem Werbeblocker als bestimmungsgemäße und erlaubte Nutzung anzusehen. Andernfalls könnte die Klägerin tatsächlich gegen jeden einzelnen Nutzer, der ihre Webseiten mit eingeschaltetem Werbeblocker – oder auch mit entsprechenden Browsereinstellungen – besucht, wegen Urheberrechtsverletzung vorgehen und diesen abmahnen.

Eine abschließende rechtliche Bewertung der Abmahnung und einstweiligen Anordnung von Springer kann an dieser Stelle, vor allem mangels genauerer Informationen zum Vorwurf, nicht erfolgen. Interessant ist aber schon die Frage, welches Urheberrecht oder Leistungsschutzrecht des Publishers hier verletzt wird. Der juristische Kniff, der zur Begründung der Abmahnung (und der einstweiligen Anordnung?) herangezogen wird, ist durchaus fragwürdig, aber im Hinblick auf die bisher ergangenen Urteilsbegründungen zu den Adblock Plus Verfahren (s.o.) keinesfalls abwegig. Viel mehr haben die Verlage die Gerichte beim Wort genommen und ihre Lehren aus den Urteilen gezogen.

Ob und wann es zu einer gerichtlichen Entscheidung der beschriebenen Sachverhalte und damit zu einer Klärung der durchaus diskussionswürdigen Vorgänge kommt, ist derzeit noch nicht bekannt.

Die gleichen Argumente, neue Plattformen

Die ausgetauschten Argumente für und gegen Adblocker sind bei der Debatte immer wieder dieselben. Online-Werbung ist zweifelsohne eine fundamentale (pekuniäre) Säule, auf dem das uns bekannte Internet steht. Es ist aber müßig, sich über das pro und contra, mithin die Legitimität eines Adblockers auszulassen. So stimme ich dem Kollegen Stadler zu, wenn er sagt: „Das Treiben von Werbung ist ebenso legitim wie das Anliegen, diese Werbung nicht zur Kenntnis nehmen zu wollen.“

Währenddessen ist auch auf den mobilen Plattformen, spätestens mit der in iOS 9 integrierten Inhalte-Block Funktion, die Auseinandersetzung um die Werbeblocker entbrannt. Ein App Entwickler zog überraschend freiwillig sein Werbeblocker aus dem App Store zurück, andere Werbeblocker wurden von Apple selbst kassiert. Für reichlich Gesprächsstoff wird zudem die Idee einiger Telekommunikationsanbieter sorgen, Werbeblocker schon netzwerkseitig implementieren zu wollen. Das Kapitel Adblocker wird also noch eine ganze Weile heiß diskutiert werden und weiterhin spannende juristische Fragestellungen liefern.

Derweil werden Adblocker Werbung blocken, Adblocker-Blocker Adblocker blocken, Adblocker-Blocker-Blocker Adblocker-Blocker blocken, (…).

Update vom 24.Oktober 18:30:

Die Vermutung hat sich bestätigt: Springer stützt seine einstweilige Verfügung gegen die Eyeo GmbH auf § 95a UrhG und veranlasste die Betreiber von Adblock Plus, Beiträge über entsprechende Filtereinstellungen (vorerst) aus ihrem Forum zu entfernten. Eyeo wird in der Verfügung u.a. vorläufig untersagt, Beiträge Dritter in einem Forum über die Möglichkeiten einer Umgehung des Werbeblocker-Hinweises auf bild.de weiter zu verbreiten.

Eyeo betont aber, dass es sich bei einer einstweiligen Verfügung lediglich um eine vorläufige Entscheidung handelt und nach Prüfung der Antragsschrift Widerspruch gegen die Verfügung einlegen wird. Auch stehe im Hinblick auf die bisherigen Verfahren in Hamburg, München und Köln die grundsätzliche Zulässigkeit von Adblockern durch diese einstweilige Verfügung nicht in Frage.

Ob sich Springer also tatsächlich erfolgreich auf die Umgehung einer wirksamen technischen Maßnahme bzw. der Verbreitung einer solchen Information i.S.v. § 95a UrhG stützen kann, bleibt noch abzuwarten. Es ist aber fraglich, wie effektiv der Publisher tatsächlich, wie bereits angekündigt, gegen alle Personen oder Plattformen vorgehen kann, die entsprechende Filtereinstellungen veröffentlichen oder verbreiten. Für die Verbreitung entsprechender Informationen auf fremden Plattformen bzw. Foren kann der Erzfeind Eyeo jedenfalls nicht zur Verantwortung gezogen werden.

, Telemedicus v. 23.10.2015, https://tlmd.in/a/3005

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