Das deutsche Immaterialgüterrecht hat viele Rechtsquellen. Die wichtigsten davon sind nicht etwa Gesetze, die der Bundestag verabschiedet hat, sondern völkerrechtliche Abkommen, z.B. TRIPS oder die RBÜ. Insofern ist nicht zu unterschätzen, was die G8-Staaten gestern beschlossen haben: Es kommt ein neues Abkommen namens ACTA (Anti Counterfeiting Trade Agreement).
Auch wenn die genauen Inhalte des Abkommens noch nicht ausgehandelt sind, die Zielsetzung ist bereits klar: Das Immaterialgüterrecht soll weiter verschärft werden, dem Schutzumfang nach, vor allem aber auch im Bereich der Rechtsverfolgung und Rechtsdurchsetzung. Vermutlich wird ACTA große Parallelen zur Enforcement-Richtlinie aufweisen und deshalb im deutschen Recht kaum Änderungen bringen.
Das ist auch nicht unbedingt die Zielsetzung des Abkommens: Vielmehr geht es den westlichen Industriestaaten darum, die eigenen Maßstäbe zum „Geistigen Eigentum“ schrittweise auch in Entwicklungsländern und Schwellenländern zu etablieren. Die sind nämlich auf schnellen Wissenstransfer angewiesen und legen deshalb viel laxere Maßstäbe an – in der WIPO, also dem Gremium, das die Vereinten Nationen für Verhandlungen zum Immaterialgüterrecht vorgesehen haben, haben sie entsprechende Vorstöße der westlichen Staaten daher bisher immer blockiert.
Die ct‘ hat die US-Politologin Susan Sell zu ACTA befragt:
Was sind die Hauptmotive für die ACTA-Verhandlungen?
Das Hauptmotiv ist meiner Meinung nach der Versuch, die Foren zum umgehen, an denen internationale Verhandlungen transparenter sind. Die Leute sind dort gescheitert mit ihren Vorstößen, es gibt eine regelrechte Pattsituation bei der WIPO, bei der Weltgesundheitsorganisation und der Welthandelsorganisation. Denn hier achten Nichtregierungsorganisationen und Vertreter kritischer Entwicklungsländer auf übermäßig strenge Neuregelungen und auf deren negative Effekte. Die Befürworter neuer Regelungen wissen, dass sie mit ihren Traumvorstellungen von sehr, sehr harten Standards für den Schutz des geistigen Eigentums hier nicht durchkommen. Nun versuchen sie es durch die Verhandlung zwischen gleichgesinnten Staaten. Wir können aber sicher sein, dass diese Bestimmungen dann in bilateralen Handelsvereinbarungen regelmäßig auf den Tisch kommen.
ACTA soll angeblich noch im Herbst 2008 beschlossen werden – im Bundestag dürfte die Gesetzesvorlage dann vermutlich etwa zum Jahreswechsel landen, auf den Schreibtischen der deutschen Immaterialgüterrechts-Juristen schätzungsweise im Sommer 2009.
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